Vorschau National Championship Game

Keine lange Einleitung, alle wissen, was Phase ist.

Montag, 8. Januar:

National Championship Game:

#1 Michigan Wolverines (14-0) vs. #2 Washington Huskies (14-0)
(in Houston; 01:30 Uhr mitteleuropäischer Zeit)

Auf zum letzten Gefecht! Das alte College Football-System feiert mit dem National Championship Game 2023/24 seinen Abschied: die letzten Vierer-Playoffs, das letzte Mal Power 5-Conferences, bevor in der kommenden Saison endgültig alles anders wird. Es liegt wohl in der Natur der Gewöhnung, dass ich dem aktuellen System sogar ein wenig melancholisch gegenüberstehe, obwohl ich bei seiner Implementierung ein Gegner war. Schlimmer geht immer? Nicht nur, denn ein paar Vorteile gegenüber den BCS-Jahren gab es ja durchaus, wenngleich ich das am Anfang nicht eingestehen konnte. Manchmal verhalten sich die Dinge doch ambivalenter als auf den ersten Blick. Ob ich das ich ca. 10 Jahren auch über das neue System sagen werde? Sehr fraglich, aber wissen tue ichs nicht.

So oder so: Das letzte Finale der Vierer-Playoffs bietet uns noch einmal ein echtes Highlight. Michigan gegen Washington ist zunächst mal eine doppelte Neuerung, denn beide stehen zum ersten Mal im National Championship Game der Playoff-Ära. Michigan scheiterte in den letzten beiden Saisons im Halbfinale (gegen Georgia und TCU), Washington stand zuvor einmal – in der Saison 2016 – in den Playoffs, unterlag damals allerdings im Halbfinale Alabama. Wir werden also auf jeden Fall einen letzten neuen Champion im alten System bekommen.

Michigan gegen Washington, das ist auch ein Finale zweier ungeschlagener Teams. Das kam zuvor dreimal in den neun Playoff-Jahren vor: 2018 (Clemson besiegte Alabama deutlich im heiß erwarteten Trevor Lawrence vs. Tua Tagovailoa-Duell), 2019 (LSU besiegte Clemson deutlich in Joe Burrows magischer Saison) und im Corona-geplagten 2020 (Alabama gewann deutlich gegen Ohio State, die allerdings nur fünf Spiele in der regulären Saison absolvierten). Es spricht einiges dafür, dass dieses Finale nicht so einseitig ablaufen wird.

Michigan gegen Washington, das ist darüber hinaus das Duell zweier künftiger Conference-Rivalen. Am 5. Oktober dieses Jahres kommt es zum nächsten Aufeinandertreffen, wenn die Wolverines nach Seattle müssen. Ich weiß nicht, wann ich mich an diese Pazifikerweiterung der Big Ten gewöhnen werde. Wahrscheinlich nicht so schnell. Anyway, vielleicht ist ja dieses Finale der Auftakt zu einer kleinen sportlichen Rivalität einmal quer über den Kontinent?

Das Finale findet in der Nacht von Montag auf Dienstag (01:30 mitteleuropäischer Zeit) in Houston im Stadion der Texans statt. Ich präferiere für solche Anlässe eigentlich College Football-Stadien – von mir aus könnte das Finale jedes Jahr im Rose Bowl stattfinden – aber mein Einfluss ist hier deutlich begrenzt. Ich hätte allerdings wenn, dann wenigstens ein komplett offenes Stadion ohne schließbares Dach bevorzugt. Der Unterschied zwischen einem Spiel unter freiem Himmel und einem Spiel im Dome wurde mir allzu deutlich bei den beiden Halbfinals: zwei ungemein spannende Partien, dennoch hatte die eine hundertmal mehr Flair als die andere. Mit diesen Gefühlen stand ich nicht allein da:

A propos Halbfinals: Den Weg der beiden Teams in die Playoffs habe ich bereits ausführlich in meiner Vorschau zu den Halbfinals geschildert. Wer neu oder neugierig ist, kann dort noch einmal nachschauen. In diesem Rahmen werde ich mich auf kurze Zusammenfassungen der Habfinals beschränken, bevor ich zum Kern der Vorschau, den Matchups zwischen den Offenses und Defenses der beiden Teams kommen werde.

Rose Bowl: #1 Michigan – #4 Alabama 27-20 (OT)

Der Rose Bowl hielt spannungstechnisch alles, was er versprochen hatte, auch wenn das Spiel zeitweilig ein wenig sloppy war. Wer seine Eindrücke noch einmal auffrischen will, hier eine längere Zusammenfassung.

Ich werde jetzt nicht das gesamte Spiel noch einmal Play für Play oder Drive für Drive analysieren. Verlauf und Dynamik des Spiels lassen sich ja bereits aus den Highlights erahnen. Stattdessen werde ich mich schlaglichtartig auf einzelne übergeordnete Gedanken beschränken. Wer mich bereits im Recap vom Down Set Talk College Update oder bei den Sofa Quarterbacks gehört hat, kann diesen Abschnitt getrost überspringen.

  • Michigan versuchte in der Offense eine ungewöhnliche Herangehensweise, um Alabamas Defense zu verwirren. Nicht nur das Playcalling war variabel, vor allem setzte man auf extrem viele unterschiedliche Formationen und Personnel Groups (nicht nur von den Positionen her, sondern auch, wie viele unterschiedliche Spieler eingesetzt wurden). Dazu kamen die bekannten Shifts und Motions vor dem Snap. Alabamas Verteidigung musste gewissermaßen on the fly herausfinden, was Michigan da vorhatte.
  • Viele Backup-Skill Player wurden auf spezielle Weise eingesetzt und eingebunden (WR Semaj Morgan, WR Tyler Morris, RB Kalel Mullings, QB Alex Orji). Man setzte überraschenderweise mehr auf 11-Personell mit drei Receivern anstatt der üblichen 12-Personnel Base. Das alles klappte eine Weile ganz gut, ich bekam mit zunehmender Spieldauer aber den Eindruck, dass Michigan sich damit selbst ein wenig aus dem Rhythmus brachte und vergaß, wo eigentlich die Basis des Erfolgs lag (-> Blake Corum).
  • Alabamas Defense spielte wie erwartet mehr Man Coverage mit seinen Top-CBs McKinstry und Arnold gegen die nicht extrem gefährlichen Receiver, um mehr Ressourcen in die Laufverteidigung zu stecken. Michigan konterte das mit einem netten Gameplan: Tight splits, Bunch-Formations, dadurch Route Kombinationen mit Rubs und Mesh Plays. Zudem bekam man mehrfach günstige Matchups geschemet gegen die ILBs der Tide: mit RBs (Mullings, Corum) und teilweise auch (Slot) WRs (Morris bei seinem TD gegen ILB Lawson).
  • Michigans Defense agierte unerwartet druckvoll und risikoreich: Sie attackierten zielgerichtet die Alabama O-Line (und hier insbesondere die linke Seite mit LT Proctor): einmal mit den dauernden und sehr variablen Twists und Stunts, zudem mit verschiedenen 5er Rush-Paketen: Nickel-Blitzes mit NB Mike Sainristil sowie – sonst eher ungewöhnlich – viele Off-Ball LB Blitzes mit MLB Junior Colson (exzellentes Spiel!), OLB Michael Barrett und Backup Ernest Hausmann. Overload Blitzes, simulated Pressures: DC Jesse Minter holte das ganze Paket raus. Alabamas O-Line offenbarte riesige Probleme in Abstimmung und Kommunikation, immer wieder schlug einer der Rusher sofort bei QB Milroe ein. Zudem kehrten die Probleme mit den Snaps von C Seth McLaughlin von Beginn der Saison verstärkt zurück.
  • In der Secondary spielte Michigan viel Zone mit tiefer Absicherung (oftmals zwei tiefe Safeties): So war man gegen die deep Shots von Milroe nach von ihm verlängerten Plays gewappnet und behielt alle Augenpaare beim Play, um sofort reagieren zu können, wenn der explosive QB selber läuft. Das klappte in der ersten Halbzeit mit Ausnahme des letzten Drives exzellent. Außen deckten die beiden CBs Will Johnson und Josh Wallace die WRs Burton und Bond so zu, dass Bama nur einen einzigen Pass mit relevanten Air Yards anbrachte.
  • Problem: Michigan war zwar überlegen, aber der muffed Punt von Morgan und ein paar Execution-Probleme sorgten dafür, dass man zur Halbzeit nur 13-10 führte.
  • Alabama und Nick Saban nahmen in der zweiten Halbzeit die nötigen Adjustments vor. Man merkte vielleicht etwas zu spät, dass das (inside) Run Game mit den RBs McClellan und Haynes (s. Preview!) sowie Milroe recht gut klappte, was angesichts Michigans Stärke in der Mitte der Line nicht unbedingt erwartet worden war. Der run-first Approach (teilweise mit zwei blocking TEs Dupree & Ouzts) klappte in der zweiten Halbzeit ziemlich gut und sorgte für die Wende.
  • In der Defense ging Saban von seiner Man Coverage weg und callte in entscheidenden Momenten variabler. Allerdings profitierte die Tide im dritten Viertel auch von dicken Execution-Böcken der Wolverines, die ihnen bei wichtigen 3rd downs zwei Drives hintereinander killten (McCarthys unbedrängter Pass in den Rücken von Morris, Morgans Drop des perfekten Balls) und selbst nach Milroes Fumble in Alabamas Hälfte Punkte verhinderten (mieser Flea Flicker-Versuch, hoher Snap beim FG Try).
  • Für mich wirkte Bama bei 20-13 schon wie der Sieger – bis McCarthy (mit etwas Glück zu Beginn und Harbaughs Risiko on 4th down) den Drive zum Ausgleich initiierte. Und selbst danach wäre bei dem muffed Punt von Jake Thaw vor der Endzone beinahe noch alles schiefgegangen. Doch in der Overtime sorgten Schlüsselspieler für die Entscheidung: Blake Corum in der Offense (endlich!), Mason Graham mit seinem eminent wichtigen Tackle for Loss gegen McClellan sowie ‚mein‘ Josaiah Stewart beim letzten Play – in Kombination mit dem erneut schlechten Snap, der das ganze Timing durcheinanderbrachte – in der Defense.
Sugar Bowl: #2 Washington – #3 Texas 37-31

Auch hier zunächst der obligatorische Verweis auf die Highlights der Partie:

Und die grundlegenden, unzusammenhängenden Gedanken:

  • Zunächst das Offensichtliche: Dieses Spiel darf niemals am Ende noch so dramatisch werden – und damit meine ich nicht nur die übriggebliebenen Sekunden durch die unglückliche Verletzung von RB Dillon Johnson im letzten Offense Play der Huskies. Washington hat das Spiel und insbesondere die zweite Halbzeit derart überlegen bestritten, dass es nicht mehr auf einen letzten Drive hätte ankommen dürfen. Und selbst wenn, hätte der nicht so lax verteidigt werden dürfen.
  • Zu Beginn des Spiels vertraute Washington seiner O-Line und nahm gleich mehrere deep Shots, bei denen die Routes eine Zeit zum Entwickeln brauchten (niemals deutlicher als bei Ja’Lynn Polks tiefer Post-Corner gleich im ersten Drive). QB Michael Penix von Begin an in bestechender Form mit seinen unfassbar ästhetischen, genauen und harten tiefen Pässen.
  • Im zunehmenden Verlauf der ersten Halbzeit war ich allerdings unzufrieden mit Huskies OC Ryan Grubb, da der viel zu viele Plays mit Handoffs an Dillon Johnson verschwendete. Johnson war in einigen Spielen der Schlüssel zum Sieg, doch solange die Longhorns Secondary nicht beweist, dass sie Penix und seine drei Top-Receiver stoppen kann, hätte ich stumpf weiter gepasst. Aus dieser unnötigen Fokussierung aufs Run Game resultierte unter anderem ein Turnover on Downs in Texas‘ Hälfte, als Johnson zweimal in short Yardage gestoppt wurde. Dazu war die Longhorns interior Line mit den beiden Monster-DTs Sweat und Young auch einfach zu mächtig.
  • Die Longhorns Defense versuchte es mit Druck, aber die beiden OTs Troy Fautanu und Roger Rosengarten ließen über außen gegen die gefährlichen DEs Barryn Sorrell und Ethan Burke kaum etwas zu. Zudem halfen die leichten Verschiebungen der Pocket, so dass Penix kein einfaches Target für Blitzes war, und natürlich Penix‘ sensationelles antizipatives Pocket Movement. Wer ihm während der Saison in dem Bereich Schwächen attestiert hat, musste deutlich Abbitte leisten.
  • Mit dem Playcalling von Texas und HC Steve Sarkisian war ich ebenfalls nicht ganz einverstanden. Nach einem dominanten zweiten Drive mit sehr viel (Power) Run Game schien es, als ob er seine kreativ gescripteten Pass Plays unbedingt durchdrücken wollte, anstatt auf das zu setzen, was offensichtlich funktionierte. Resultat waren viele lange 3rd down-Versuche, auch weil man das outside Pass Game um die beiden WR Worthy und Mitchell überhaupt nicht in Gang bekam. In der ersten Halbzeit fing Worty einen Pass, Mitchell keinen. Noch gravierender: In der ersten Halbzeit gelangen Texas etwas über 2 Yards beim 1st down, Washington dagegen über 10.
  • Die beiden outside Corners der Huskies, Jabbar Muhammad und Elijah Jackson, mit starken Leistungen gegen die auf dem Papier überlegenen Longhorns WR, zudem wirkte Longhorns QB Ewers nicht sehr komfortabel in der Pocket: viele unnötige Bewegungen, Tendenz zu happy feet.
  • Erkenntnis der ersten Halbzeit also: Texas sollte mehr laufen. Washington sollte nicht laufen.
  • Ergebnis von 21-21 zur Pause ziemlich schmeichelhaft für Texas, die von den muffed Punt von Germie Bernard profitierten und im letzten Drive plötzlich sehr ansehnlich spielten.
  • Entscheidend war das dritte Viertel: Washington nahm etwas Tempo aus dem Spiel, bewegte den Ball methodischer und die Uhr gleich mit. Nun weniger vertikales Pass Game, sondern schnelle Perimeter Pässe gegen die stark in Off positionierten Longhorns DBs. Jalen McMillan mit Swing Catches und insbesondere TE Jack Westover als Chain Mover nun mehr im Blickpunkt. Und: Man ließ Penix in entscheidenden Situationen laufen (werde ich weiter unten nochmal drauf eingehen)
  • Texas kam nach der Halbzeit nicht ins Spiel: im ersten Offense Play der Fumble von RB Baxter, im zweiten Drive nach einem 1st down der schnelle Punt – und schon war das Viertel vorbei und Washington mit 13 Punkten vorn. Texas hatte fünf (!) Offense Plays im 3rd quarter. Der erste Drive im vierten Viertel sah zunächst vielversprechend aus, doch dann gabs ja den Butt Fumble von RB Blue.
  • In der zweiten Halbzeit brillierte nicht nur Penix, sondern in der Defense ebenso Bralen Trice. Unfassbar, an wie vielen Plays er beteiligt war und wie er Ewers bei fast jedem Play zusetzte.
  • Und als es eigentlich vorbei war, wurde es noch einmal wild und dramatisch. Wie gesagt, darf eigentlich nicht passieren. Aber ging ja gerade so gut, auch weil Texas bei seinen vier Red Zone-Plays nicht mehr unbedingt viel einfiel.
National Championship Game in Zahlen

Bevor wir auf Schemes, Strategien und Matchups zu sprechen kommen, zum Überblick noch einmal die Statistiken der beiden Teams in Offense und Defense:

Erzielte Punkte:
Washington 37.6 (Rang #10)
Michigan 36.0 (Rang #14)

Abgegebene Punkte:
Michigan 10.2 (Rang #1)
Washington 24.1 (Rang #54)

Yards per Play:
Washington 7.2 (Rang #3)
Michigan 6.0 (Rang #34)

Gegnerische Yards per Play:
Michigan 4.1 (#4)
Washington 5.5 (#68)

SP+ (ohne Playoffs, nach dem Championship Weekend):
Michigan #1 (Offense #10 / Defense #1)
Washington #11 (Offense #4 / Defense #45)

Diese Zahlen geben bereits einen ganz guten Eindruck, welches Matchup besonders hochklassig sein wird. Und genau damit beginnen wir.

Huskies Offense vs. Wolverines Defense:

1) Clash der Giganten: Huskies Pass Game vs. Wolverines Secondary

Es ist schwer, sich ein besseres Duell vorzustellen: Washingtons Air Raid-angelehnte Passattacke, die im Schnitt 350 Yards pro Spiel auflegt, gegen Michigans Lockdown-Secondary, die nur 55.5% Completions und magere 150 Pass Yards pro Spiel zulässt. Egal, welche Statistiken man bemüht, das ist das qualitativ hochklassigste Duell, das man sich vorstellen kann.

Zu den Statistiken kommt die aktuelle Form: Huskies QB Michael Penix hat gegen Texas ein Feuerwerk abgebrannt, wie ich es selten erlebt habe – und das hat nichts mit einem Recency Bias zu tun. Schaut euch einfach nochmal ein paar seiner Highlight-Throws (und das waren beileibe nicht alle!) aus All-22 an. Reicht normalerweise für mehrere Spiele:

Auf der anderen Seite dürfte die Brust der Wolverines-Secondary ebenfalls sehr breit sein: Man legte Alabamas Big Play-Pass Offense komplett an die Kette. Abseits von einem Sideline-Shot auf Isaiah Bond (29 Yards) ließ man kaum Air Yards zu. Die Pässe, die ansonsten ansatzweise 10 Yards in der Luft waren, gab es bei 2nd and very long sowie bei 3rd and long in Overtime. Es ging rein gar nichts tief für die Crimson Tide.

Beginnen wir aber noch einmal bei den Huskies. Ich schrieb in der Vorschau zum Sugar Bowl, wie beeindruckt ich von den zwei Gesichtern der Offense von HC Kalen DeBoer und OC Ryan Grubb bin: auf der einen Seite der Air Raid-Style mit den Trips Formations und stacked WR Twins, aus denen man ein vertikales Pass Game aufzieht – die beiden outside WR Rome Odunze und Ja’Lynn Polk erzielen beide über 17 Yards pro Catch – auf der anderen Seite die kontrollierte Version mit Ball- und Uhrkontrolle. Kein Team versteht es so gut im entscheidenden Moment das Tempo rauszunehmen und durch Run und insbesondere Kurzpass langsam und methodisch übers Feld zu marschieren. Beide Seiten zeigten die Huskies gegen Texas eindrucksvoll: in der ersten Halbzeit eher die vertikale Variante, in der zweiten – erst recht mit der Führung im Rücken – die time consuming-Variante, die keinesfalls besonders konservativ ist. Beim Drive zum 38-27 im Sugar Bowl startete Penix mit vier (kurzen) Pässen und streute später noch den genialen tieferen Sideline-Ball auf Rome Odunze ein.

Allein wegen Odunze ist die Basis der Offense aber sicherlich die vertikale Ausrichtung. Kein Receiver im College Football ist besser, sicherer und spektakulärer bei contested Catches, kaum einer hat eine natürlichere Body Control bei Sideline und insbesondere Backshoulder-Pässen sowie den beliebten Fades, die Penix wirklich zentimetergenau wirft. Die beiden haben eine unglaubliche, beinahe schlafwandlerische Chemie.

Und dennoch funktioniert die Offense erst so richtig wieder, seitdem Slot-WR Jalen McMillan wieder vollständig genesen ist. McMillan ist kein typischer Slot, er hat zwar die unglaubliche short-area Quickness, aber kann das Feld eben auch vertikal stretchen. Und da Ja’Lynn Polk sein Formtief eindrucksvoll überwunden hat, ist die physische Komponente des WR Corps wieder komplett hergestellt.

Mit den dreien können die Huskies die komplette Palette vertikalen Passspiels aufziehen, und dies in mannigfaltigen Varianten. Gutes Beispiel der TD auf McMillan:

Four Verts (Odunze auf der rechten Seite nicht zu sehen), Fake Toss/Swing auf RB Johnson (liebe diesen Wrinkle so sehr, wird gefühlt immer beliebter, weil man damit oftmals das 2nd level horizontal bewegt bekommt), die drei WRs plus TE Devin Culp laufen vertikale Routen, split Safeties, Penix hält den aus seiner Sicht linken mit den Augen, der rechte orientiert sich erst auf die rechte Seite gen Odunze, McMillan splittet die Safeties mit seiner schon an die Coverage angepasste Post, und Penix wirft einen punktgenauen Laser. Boom.

Durch die dauernden Bewegungen und vielen Motions vor dem Snap haben die gegnerischen Passverteidiger auch kaum einmal von vorneherein klare Zuständigkeiten, sondern müssen diese immer wieder bis zum Start des Plays anpassen.

Und steht die Secondary mit zu vielen Spielern zu tief und die Cornerbacks sitzen in klarer Off Coverage mit deutlich Cushion, um sich gegen diese Passgewalt zu verteidigen, geht es eben auch anders, wie die Huskies eindrucksvoll gegen Oregon und tendenziell in der zweiten Halbzeit gegen Texas gezeigt haben. Dann gibt es schnelle Perimeter-Passes (gerne in die Bunch Formations mit zwei Vorblockern), beliebt sind zudem die Swing Passes auf den in Motion befindlichen McMillan, der dann sofort mit Burst upfield turnt, oder eben die underneath Passes auf TE Jack Westover, der mit seinen herausragenden Catch-Skills eine Art Sicherheitsnetz darstellt. Westover ist für mich gerade in diesem Spiel der eine X-Factor der Offense.

Übrigens: Aus diesem Kurzpassspiel ergeben sich dann auch wieder Möglichkeiten fürs intermediate Game, wie bei diesem angetäuschten WR Screen, bei dem Westover als designierter Vorblocker on the move dann doch eine Route läuft.

Was also tun an Stelle von Wolverines DC Jesse Minter? Wenngleich Washington eine ganz andere Offense als Alabama hat, könnte ich mir vorstellen, dass er zumindest in einem Punkt zunächst eine ähnliche Herangehensweise wählt, und zwar viel Absicherung hinten mit two-deep Safeties. S Rod Moore war selten so tief positioniert wie gegen die Tide, er ist mit seiner Erfahrung und Spielintelligenz unverzichtbar hinten – gerade gegen die Washington Receivers. Ich rechne schon bei early Downs mit einiger Quarters- und Cover 6-Coverage, vielleicht auch mal Cover 2-Man, wobei man hier auf die Pässe über die Mitte (insb. mit McMillan) aufpassen muss.

Minter wählte gegen Alabama gelegentlich anderes Personal, indem er bei Formationen mit zwei tiefen Safeties öfter auf Backup Quinten Johnson zurückgriff anstelle von Starter Makari Paige. Paige hat mit seinem gewaltigen Frame von 6‘4, 210 seine Stärken eher im Tackling und nahe der Box, Johnson ist der klassischere Free Safety-Typ. Würde mich nicht wundern, wenn Minter auch gegen Washington die Spielanteile des Backups hochschrauben würde.

Die Matchups zwischen Receivern und Defensive Backs sind relativ klar: Top-CB Will Johnson wird sich primär um Odunze kümmern – ein mega physisches Duell! Johnson hat die Size, Beweglichkeit und Skills am catch point, um Odunze ein paar Plays zu nehmen, wenngleich er ihn sicherlich nicht ganz aufhalten wird. Seine Battles mit Marvin Harrison haben da einen ganz guten Vorgeschmack gegeben. Könnte mit vorstellen, dass Johnson durchaus auch ein paar Press / Bump & Run-Snaps spielen wird, um Odunze/Penix aus dem Rhythmus zu bringen. Je nachdem, wieviel Johnson travelt (tut Michigan nicht immer), wird ansonsten Josh Wallace auf Ja’Lynn Polk treffen. Wallace ist die letzten Wochen richtig gut in Form und hat sich zu einem absoluten Top-Nebenmann zu Johnson entwickelt. Und innen erwarte ich fast sehnsüchtig das Duell von McMillan gegen den gritty Nickel-CB Mike Sainristil. Sainristil ist so ein wenig das Herz und die Seele der Defense (merkte ich übrigens im Stadion, er ist der, der das Publikum besonders animiert), mit seiner Aggressivität und Foot Quickness eng am Mann, wenngleich ich gerade bei den tieferen Routen McMillan etwas vorn sehe.

Sollte Michigan vorsichtiger agieren und zunächst die tiefen Pässe verhindern wollen, kommt eben das zweite Gesicht der Huskies zu tragen: quickes horizontales Pass Game, Screens auf Odunze, schnelle Pässe in Bewegung auf McMillan, underneath Passing auf Westover – oder auch mal der Screen zu einem der schnellen Backup-WR wie Germie Bernard (oder Giles Jackson, früher bei Michigan, solche Spieler bekommen gern mal zur Feier des Tages eins, zwei Plays auf sie zugeschnitten). Dann werden die Tackling-Fähigkeiten der DBs im Vordergrund stehen (sowie das schnelle Lösen von Blocks).

2) Kann Michigan Washingtons superbe Pass Protection knacken?

Gegen Texas zeigte sich erneut eindrucksvoll, was bereits vorher bekannt war. Washingtons O-Line, der Joe Moore Award-Gewinner für die beste O-Line des Landes und damit Nachfolger vom zweimaligen Sieger Michigan, ist gerade im Passblock kaum zu bezwingen. Diese Line ist extrem beweglich, und gerade die Protection außen mit LT Troy Fautanu und RT Roger Rosengarten ist einfach exzellent. Selbst die exzellente D-Line von Texas brachte kaum einmal Druck über außen zustande. Durch die Beweglichkeit der gesamten O-Line können die Huskies ihre leichten Shifts der Pocket und die Modifikation des launch points für Penix hervorragend umsetzen. Penix wählt nicht immer den geraden Dropback, sondern gerne auch mal leicht schräg nach links oder rechts und bietet der gegnerischen Defense damit kein vorab festes Ziel. Und wenn dennoch Druck durchkommen sollte, kann Penix mit seiner Antizipation, seinen Movements in der Pocket und seiner extrem schnellen throwing motion den umgehen.

Ein weiterer ganz wichtiger Faktor ist allerdings fraglich: RB Dillon Johnson begeisterte in der zweiten Hälfte der Saison nicht nur mit seinem physischen Laufstil, sondern auch mit seinen exzellenten Fähigkeiten als Passblocker. Zur Erinnerung: Johnson transferierte von Mississippi State, spielte also zuvor in Mike Leachs originaler Air Raid, in der die RBs kaum laufen, sondern größtenteils als Passblocker und Receiver eingesetzt werden. Seine Blitz Pickups waren ein unterschätzter Schlüssel gegen den Druck von Texas. Doch brach ja beim allerletzten Offense Play seine alte Fußverletzung wieder auf, die ihn immer mal wieder über Strecken der Saison limitierte. Das ermöglichte Texas ja beinahe noch ein wundersames Comeback, für das Finale wäre sein Ausfall eine erhebliche Schwächung. OC Grubb ließ verlautbaren, dass Johnson auflaufen wird, doch wie fit wird er sein? Wäre enorm wichtig, wenn er zumindest als Passblock-Back fungieren könnte.

Wie wird Michigans Front diese Line attackieren? Die Wolverines haben keinen überragenden one-on-one Passrusher und kommen eher über das Team mit einer nicht sehr tiefen, aber beständigen Rotation. Kaum ein Edge spielt über 60% der Snaps, das wird gewissermaßen brüderlich geteilt. Wie bereits einige Male diese Saison ausgeführt, gehört Michigan zu den Teams, die am häufigsten und effektivsten Stunts und Twists einbauen und so ihre Passrusher freischemen: Jaylen Harrell und Josaiah Stewart sind dabei die kleineren quickeren (wobei Stewart eine unglaubliche Power in Oberköper und Händen hat, siehe letztes Play gegen Alabamas Top-RT JC Latham), Braiden McGregor und Derrick Moore die kräftigeren Power-Rusher.

Gegen Alabama setzte man auf eine ungewohnte Menge Blitzes, zum einen mit Nickel Sainristil (das zieht sich durch die Saison), zum anderen – überraschender – auch mit den Off Ball-Linebackern Junior Colson und Michael Barrett. Gab eine gute Auswahl verschiedener Blitzpakete. Schönes Beispiel für das, was gelegentlich als Magic bezeichnet wird. 5-man Pressure, hier ist LB Colson (#25) der zusätzliche Spieler durch die Mitte. Die Ends behalten outside Passrush Lanes, einer der inneren Spieler – Josaiah Stewart (#5) – stuntet um beide anderen inneren Rusher herum, der Back kümmert sich um einen der straight line Rusher, und Stewart gelingt das Hustle Play gegen Milroe.

Blitzes und Stunts bauen hier wunderbar aufeinander auf. Tackle-Tackle-Stunt, der durch den Blitz von LB Colson, der das B-Gap anvisiert, dann doch das A-Gap wählt und damit den LG mitnimmt, erst erfolgreich wird.

Overload-Blitzes gabs ebenfalls zu bewundern, meist mit Nickel Sainristil. Hier bekommt man die Line der Tide so durcheinander, dass sowohl Sainristil als auch DE Moore freie Fahrt haben.

Der nächste ist besonders interessant fürs Finale. Hier shiftet die Pocket leicht, was Michael Barrett durch einen exzellent getimeten B-Gap Blitz nutzt und komplett freie Fahrt hat.

Könnte so der Weg für Michigan aussehen, eins, zwei Mal mehr bei Penix einzuschlagen – auch und gerade, wenn sie den launch point verschieben?

Ich glaube nicht, dass man Penix so ausgiebig blitzen wird wie Milroe im Halbfinale, dennoch rechne ich mit mehr Blitzes als über die reguläre Saison – erst recht, wenn RB Johnson ausfällt oder merklich limitiert ist.

Es gibt noch einen weiteren Grund dafür, und der liegt in der Aufgabenverteilung der Linebacker.

3) Wird Washingtons Run Game überhaupt irgendeine Rolle spielen?

In der zweiten Saisonhälfte hat sich das Laufspiel von Dillon Johnson zu einer echten Komplementärwaffe zum Penix-Feuerwerk etabliert. Doch schon gegen Texas‘ herausragende interior D-Line zeigte sich, dass (fast) jeder Lauf einer zuviel war. Erst recht gilt dies nun mit einem angeschlagenen Johnson. Die Backups sind solide, dennoch ein ganz klares Downgrade, egal ob der junge Tybo Rogers oder der schnelle Ex-WR Will Nixon (ein ehemaliger Husker). Vor allem, aber nicht nur im Passblock ist Johnson nicht zu ersetzen.

Michigan hat zwar gegen Alabama ein wenig zu viel im (inside) Running zugelassen, dennoch werden die Wolverines auf ihre Monster-DTs Mason Graham und Kris Jenkins bauen (mit den hervorragenden Backups um Kenneth Grant in der Rotation), um das Laufspiel mit möglichst wenig extra abgestelltem Personal zu verunmöglichen. MLB Colson dahinter als exzellenter Tackler, das müsste reichen. Alle Ressourcen werden auf Passrush und Coverage aufgewendet werden, und das mit Recht. Umso mehr, je limitierter Johnson wirkt. Ich vermute aber auch, dass OC Grubb aus seinen Fehlern der ersten Halbzeit gegen Texas gelernt hat und den Ball komplett in Penix‘ Hände geben wird, notfalls mit einem schnellen horizontalen Passspiel als Run Game-Ersatz. Je unfitter Johnson ist, desto mehr könnten wir – gewissermaßen als zweiter X-Factor – Läufe von Penix sehen. Der war bei Indiana ja noch dual-threat Quarterback, hat sich den läuferischen Anteil nach seinen vielen schweren Verletzungen aber weitgehend abgewöhnt, bis er gegen Texas mit ein paar Zone Read und insb. Power Read Runs Erfolg hatte. Schauen wir mal, ob das noch einmal verstärkt aufgegriffen wird.

Insgesamt sollten sowohl Washingtons Offense als auch Michigans Defense das Run Game weitgehend ignorieren.

Key Matchups:
WR Rome Odunze vs. CB Will Johnson – Physis gegen Physis!
SWR Jalen McMillan vs. NB Mike Sainristil
LT Troy Fautanu vs. EDGE Jaylen Harrell
RT Roger Rosengarten vs. EDGE Josaiah Stewart
C Parker Brailsford vs. DT Mason Graham
QB Michael Penix (deep Passing) vs. S Rod Moore

Wolverines Offense vs. Huskies Defense:

Gegenüber dem Mega-Duell zwischen Washingtons Offense und Michigans Defense fallen die Matchups auf der anderen Seite sicherlich deutlich ab. Das muss aber ja nicht unbedingt heißen, dass sie weniger spielentscheidend sind. Nur unterscheiden sich die Herangehensweisen halt wesentlich.

1) Back to the roots: Das Wolverines Run Game als Basis

Wie üblich werden beide Teams aus den Halbfinals ein paar Schlüsse ziehen, wie man die gegnerischen Units unter Umständen knacken kann. Zumindest geben diese Spiele ein wenig aktuelle Inspiration. Für HC John Harbaugh und OC Sherrone Moore wird der Erfolg von Texas im Run Game sicherlich keine schlechte Nachricht gewesen sein: Die beiden Longhorns RBs CJ Baxter und Jaydon Blue liefen insgesamt 18 Mal für 123 Yards, ein beachtlicher 6.8er Schnitt bei einem längsten Lauf von 16 Yards, also nicht durch ein Big Play geschönt. Nur setzte Texas in der ersten Halbzeit zu wenig auf den Lauf und musste in der zweiten Halbzeit bei two-score Rückstand passlastiger agieren (woran wohlgemerkt auch die beiden Runner mit ihren Fumbles ihren Anteil hatten).

Michigan wird die gelegentlich suspekte Run Defense der Huskies sicherlich von Beginn an ausgiebig testen. Ich erwarte echten Bully Ball mit 12-Personnel und RB Blake Corum (nicht nur in ihrer klassischen Aufstellung mit Colston Loveland und A.J. Barner als TEs, sondern durchaus auch mal mit den beiden besten Blockern Barner und TE/FB-Hybrid Max Bredeson). Corum hat zwar immer noch nicht die Dynamik von 2022 zurück, aber holt gerade inside mit seiner Vision und Wendigkeit verlässlich Yards. Ich würde hier noch einmal mehr auf ihn setzen und Slasher Donovan Edwards nur gelegentlich als change-of-pace bringen, vielleicht sogar mehr mit dem Bruiser Kalel Mullings (womöglich auch als Vorblocker wie in ein paar Plays gegen Alabama in split Back-Formations).

Zudem warte ich nun seit Wochen darauf, dass Harbaugh und Moore QB J.J. McCarthy endlich mehr als Runner einsetzen. Wenn nicht in diesem Spiel, wann dann? Der nicht gerade als dual-threat berüchtigte Longhorns QB Quinn Ewers holte mit seinen Scrambles (abzüglich Sacks) in sechs Runs insgesamt 63 Yards. McCarthy ist der bessere Athlet und könnte hier – gerade wenn Washington in Man Coverage ist – ein nettes Matchup vorfinden. Er sollte eh mehr planmäßig aus der Pocket bewegt werden, allein um dem Passrush vom im Halbfinale überragenden Bralen Trice sowie ZTF zu entgehen.

Michigans Gameplan sollte zunächst so aussehen, wie er 2021 gewesen wäre: Dominantes Power Run Game hinter der O-Line, Ball und Uhr kontrollieren (auch um Penix lange an der Seitenlinie zu belassen und ihm vielleicht zwei Drives weniger zu geben) – und daraus dann Playaction-Shots zu nehmen und gelegentlich eine RPO einzubauen, um den Downhill-Drang der Linebacker ein wenig zu bremsen.

Washingtons Defense wird einen lauflastigen Ansatz der Wolverines sicherlich erwarten – erst recht nach dem, was sie gegen Texas zugelassen haben. Ich vermute stark, dass die beiden Co-DCs William Inge und Chuck Morrell ordentlich die Box vollladen werden, um die Wolverines in längere 3rd Downs zu zwingen. Vielleicht greift man ja sogar auf mehr Base 4-3 Defense zurück, denn man hat neben dem überragend wichtigen MLB Edefuan Ulofoshio (ein sehr sicherer Tackler!) mit Alphonzo Tuputala und Edel-Backup Carson Bruener zwei weitere starke Linebacker (plus den vierten Ralen Goforth in der Hinterhand), die üblicherweise auch in Coverage gegen TEs bestehen können. Gegen andere lauflastige Power-Offenses wie Oregon State haben sie bewiesen, dass sie in einem solchen Fight durchaus bestehen können. Wichtig wird natürlich ebenso die Line sein: DE Trice ist gegen den Lauf ebenfalls eine Wucht mit seiner Power, der Schlüsselspieler ist meiner Ansicht nach aber ein anderer: DT Tuli Letuligasenoa. Mit angegebenen 6‘1, 292 sicher kein besonders massiger interior Liner, dafür enorm stout mit guter Leverage und daher kaum zu bewegen. Hält O-Liner vom climben ins 2nd level ab und ist damit ein zwar statistisch unauffälliger, jedoch sehr bedeutender Teil der Run Defense. Sein Duell mit C Drake Nugent sowie den OGs Karsen Barnhart oder Trevor Keegan ist definitiv zu beachten.

Dennoch insgesamt auf dem Papier Vorteile für die Wolverines. Allerdings sollte man sich nicht von den schlechteren Werten der Huskies Defense zu sehr vereinnahmen lassen: Diese Defense spielt seit ca. Mitte der Saison auf einem deutlich höheren Niveau. Der Wendepunkt begann mit der zweiten Halbzeit gegen Utah, danach trat die Truppe mit einem ganz anderen Selbstverständnis auf.

2) Passing Game: Worauf wird es ankommen?

Es mag unfair wirken, doch dieses Spiel wird mitentscheidend sein für die Legacy von J.J. McCarthy. Geht er als vielleicht der größte Quarterback der Wolverines-Historie ein, zu dem ihn Harbaugh bereits etwas voreilig ernannte? Dazu muss er das Spiel – trotz aller Lauflastigkeit des grundsätzlichen Ansatzes – zu irgendeinem Zeitpunkt an sich reißen. Gegen Alabama bewies er zwar seine Clutch-Fähigkeiten mit dem Drive zum späten Ausgleich, ließ aber zuvor ein paar einfachere Plays liegen und hatte auch in eben jenem Drive zu Beginn Glück, dass sein Pass auf Loveland in Doppeldeckung nicht abgefangen wurde. McCarthy muss seine Frühform unbedingt wiederfinden, als ihm gerade außerhalb der Pocket und on the move wiederholt herausragende Plays gelangen.

Nur braucht er eben Hilfe, die er nicht immer bekam. Alabama gelang es mit seinen herausragenden outside Cornern und Safeties, nicht nur die beiden starting WR Roman Wilson und Cornelius Johnson lange Zeit auszuschalten (bis zu dem langen Pass auf Wilsons Over Route in Man gegen Slot Malachi Moore), sondern auch den von mir als Matchup-Waffe auserkorenen TE Loveland aus dem Spiel zu nehmen. Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: An Stelle von OC Moore würde ich Loveland als athletisches Mismatch über die Mitte unbedingt prominent featuren. Egal ob einer der Linebacker, Nickel Mishael Powell oder der große Dominique Hampton: Loveland hat gegen jeden dieser Spieler mindestens einen großen Vorteil, ob Size, Speed, Athletik, Power oder short-area Beweglichkeit. Über Loveland – und gelegentlich seinen Kollegen Barner – sollte ein beträchtlicher Teil der Playaction laufen. Washington hatte schließlich ein paar Probleme mit Texas‘ athletischem TE Ja’Tavion Sanders, der der gefährlichste Receiver der Longhorns im Sugar Bowl war. Schön wären auch eins, zwei tiefere Pässe auf WR Wilson nach Rollouts oder Bootlegs, doch das hat schon länger nicht mehr konstant funktioniert.

Die Secondary der Huskies hat einen gewaltigen Sprung gemacht, und bei niemandem ist der größer als bei CB Jabbar Muhammad. Muhammas ist ein aggressiver Cover Guy, der diesen Stil in Off Coverage sehr gut bewahren kann. Tief ist er kaum zu bezwingen. Hier ein anschauliches Beispiel einer quasi perfekten Off Coverage gegen Texas‘ Speedster Xavier Worthy:

Allerdings ließ er sich von dem physisch überlegenen Jordan Whittington beim langen Ball am Ende outboxen. Vielleicht eine kleine Chance für den physischen Cornelius Johnson? Der andere Huskies CB Elijah Jackson wirkte über die Saison etwas anfälliger, ließ im Halbfinale gegen Worthy und AD Mitchell ebenfalls sehr wenig zu. Ganz so leicht ist diese Unit nicht zu bezwingen, zumal die Safety-Positionen mit den beiden großen Hampton und Asa Turner sowie dem variabel einsetzbaren Cover-S Kamren Fabiculanan wieder komplett sind. Vielleicht wählt man hier zuvorderst die physischen Jungs, um sie in die Box zu rotieren?

Spannend wird es up-front: Michigans starke O-Line muss sich mit den DEs Zion Tupuola-Fetui und Bralen Trice messen, und gerade Trice befindet sich in überirdischer Form. Mit Texas‘ gutem RT Christian Jones machte er, was er wollte. Die Statistiken (3 TFL, 2 Sacks, ein FF) geben nicht einmal ansatzweise wieder, wie dominant er war. Trice ist ein kräftiger Big Body DE mit schnellen Moves und herausragender Quickness für seine Size, die ihm immer wieder ansatzlose inside Moves erlaubt. Hier mit Arm Over:

Die Duelle von Trice gegen (Backup) RT Trente Jones sowie ZTF gegen LT LaDarius Henderson sehen nach günstigen Matchups für Washington aus. Auch aus dem Grund sollte Michigan nicht unnötig in obvious Pass-Situationen gezwungen werden. Auf der anderen Seite machten Henderson und insbesondere Jones gegen die top Passrush-Zange von Alabama (Dallas Turner und Chris Braswell) eine ziemlich gute Partie. Dennoch würde ich Trice aktuell wenn möglich mit einem zusätzlichen TE beschäftigen oder zumindest mit dem Back auf dem Weg in die Passroute chippen.

3) Gibts wieder Action von den Role Players?

Michigans Plan gegen Alabama sah vor, dass man neben den klassischen Waffen eine ganze Menge Backup-Skill Player einsetzt mit (meist) spezialisierten Aufgabenbereichen: Durch die stärkere Fokussierung auf 11-Personnel bekamen einige Receiver mehr Spielzeit und auch Targets: Returner Semaj Morgan als Screen-Guy oder 4th stringer Tyler Morris im Slot (der seinen ersten College-TD im Halbfinale fing). Zudem erhielt der kräftige 3rd string RB Mullings insbesondere in 2-Back-Sets Spielzeit (und fing einen wichtigen Ball), und es gab wieder einmal ein paar Plays für running QB Alex Orji. Wird es gegen Washington eine solche Fülle an prominent eingesetzten Role Players geben?

Ich vermute, dass OC Moore ein wenig konventioneller agieren wird. Es war offensichtlich das Ziel, Alabamas Defense früh zum Nachdenken und Adjusten on the fly zu bringen. Gegen Washington erscheint auf den ersten Blick die Base Offense als vielversprechenderer Ansatzpunkt. Ich rechne allerdings damit, dass WR Morgan ein paar designte Ball-in-die-Hände-Plays bekommt. Den schnellen Returner mögen die Wolverines in dieser Rolle anscheinend sehr. Noch sind die Ergebnisse eher überschaubar, doch das könnte sich mit jedem Spiel ändern. Weiterhin halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass QB Orji wieder 2-3 Plays bekommt – insbesondere, wenn sich bereits mit McCarthy andeuten sollte, dass die Huskies das QB Run Game nicht gut verteidigen können. Solche Plays tragen aufgrund der Unerfahrenheit der eingesetzten Spieler aber natürlich auch immer ein gewisses Risiko. Diesbezüglich sollten Harbaugh und Co. darüber nachdenken, die Menge an Gimmick Plays (die gegen Alabama überhandnahm und einige Execution-Probleme nach sich zog) zu reduzieren und eher auf die Basisstärken zu setzen.

Key Matchups:
RT Trente Jones vs. DE Bralen Trice
RB Blake Corum vs. LB Edefuan Ulofoshio
TE Colston Loveland vs. S Dominique Hampton
C Drake Nugent vs. DT Tuli Letuligasenoa
WR Roman Wilson vs. CB Jabbar Muhammad

Abschließende Gedanken: Special Teams

Könnten sich in einem als eng prognostizierten Spiel womöglich die Special Teams als Schlüssel erweisen? Zumindest sollte man das für einen Moment in Betracht ziehen, wenn man an die Halbfinals zurückdenkt. Dort zeigte Michigan, die eigentlich über hervorragende Special Teams verfügen, eine bedenkliche Leistung: zwei muffed Punts, ein verkicktes FG, Probleme mit den FG Snaps und ein mäßiges Punting wären beinahe ausschlaggebend gewesen. Bei einem Sieg Alabamas wäre definitiv prominent über die Wolverines Unit diskutiert worden. Doch auch Washington hatte seine Probleme: Der muffed Punt sorgte in der ersten Halbzeit für einen leichten TD von Texas.

Über die Saison hinweg weisen eigentlich alle Metriken einen Vorteil für Michigan aus. Das Kicking ist bei beiden Teams recht sicher mit James Turner (Michigan) und dem ehemaligen Walk-on Grady Gross (Washington), wenngleich Gross bisher keine wirklich langen FGs gekickt hat. Im Punting sieht es ähnlich aus: Tommy Doman hat bessere Werte als Jack McCallister. Der eine X-Factor könnte WR/RS Morgan sein, der gefährlichste Returner auf beiden Seiten. Washingtons WR/RS Bernard ist allerdings auch kein schlechter – und vielleicht darf ja in einem entscheidenden Moment mal wieder Odunze als Punt Returner ran?

Doch die generellen Werte sagen wenig darüber aus, wie es mit der Nervosität bestellt ist. Die war den Wolverines im Halbfinale deutlich anzumerken. Hat sich das einigermaßen beruhigt?

Fazit:

Von welcher Seite man es auch betrachtet, wir haben ein würdiges Finale mit einem absoluten Monster-Matchup. Washingtons Passattacke gegen Michigans Passverteidigung bietet so ziemlich die höchste Qualität, die im College Football möglich ist. Doch könnte sich ebenso das weniger beachtete Duell zwischen der Wolverines Offense und der Huskies Defense als entscheidend erweisen, wenn es Michigan gelingt, den Ball über weite Strecken zu kontrollieren und das Spiel physisch zu dominieren. Hier liegt sicherlich der erste Ansatzpunkt der Wolverines. Bei den Buchmachern ist Michigan mit 4.5 Punkten favorisiert, was ich für ungewöhnlich viel halte. Andererseits hatte Texas einen ähnlichen Spread gegen Washington, und Oregon noch einmal einen deutlich höheren im Pac-12 Championship Game, und die Huskies stehen dennoch im Finale. Ich rechne mit einem ganz engen Spiel im mittleren Scoring-Bereich – und komme bei den unglaublichen Clutch-Skills von insbesondere Michael Penix nicht umhin, Washington minimal vorn zu sehen. So oder so: Genießt es!

Ein Gedanke zu „Vorschau National Championship Game

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