Vorschau Neujahrsbowls

Zunächst mal: Frohes Neues!

Traditionell ist der 1. Januar der Bowltag des Jahres, selbst wenn keine Halbfinals anstehen. Der Grund dafür ist simpel: der Rose Bowl, mit Abstand das traditionsreichste aller Bowlspiele. Doch bevor wir zum Hauptgericht kommen, zunächst mal ein kurzer Bericht auf die – leider wie so oft – parallel ablaufenden Vorspeisen. Denn die haben es zumindest von den Namen her ebenfalls in sich.

Outback Bowl:

#18 Minnesota Golden Gophers (10-2) vs. #12 Auburn Tigers (9-3)
(19:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit; in Tampa, FL)

Für mich persönlich sind diese beiden Teams neben Utah und Alabama am knappsten an der Teilnahme an einem NY6-Bowl entlanggeschrammt. Wie ihr seht, kann ich mit dem Ranking des Playoff Committees bezüglich Minnesota so gar nichts anfangen. Die Gophers sind meiner Ansicht nach überhart für zwei späte Niederlagen abgestraft worden. Dies schmälert ihre fantastische Saison nur unwesentlich. Als Trostpreis bekommen sie vielleicht das beste Bowl-Matchup außerhalb der NY6.
Der Outback Bowl ist einer der größeren Bowls und findet traditionell fast immer am Neujahrstag statt. Hier duellieren sich seit einiger Zeit Teams aus der Big Ten und SEC. Für Minnesota ist es der erste Besuch, während Auburn zum letzten Mal 2015 zu Gast war, als man in der Overtime gegen Wisconsin (u.a. mit Melvin Gordon) verlor.

Gophers Offense vs. Tigers Defense:

Der größte Verlust der Gophers für diesen Bowl betrifft das Coaching. OC Kirk Ciarrocca, langjähriger Begleiter von HC P.J. Fleck (bereits bei Western Michigan), wird neuer OC von Penn State und verzichtet darauf, sein Team im Bowl zu coachen. Fleck ernannte nun WR Coach Matt Simon zum Interims-OC, will sich aber auch stärker selbst einbringen. Ich denke nicht, dass das zu starke Auswirkungen haben sollte, da die Gophers ein recht eingespieltes Scheme haben: sehr viele RPOs, die in der Regel auf einem run-first approach aufbauen. QB Tanner Morgan hat eine riesige Entwicklung genommen, bin schon sehr gespannt, ob er in der nächsten Saison noch einen Schritt weiter gehen kann. Er hat eines der besten WR-Duos des Landes am Start: WR Tyler Johnson (1114 Yards, 11 TDs), ein hervorragender Route Runner, der die kleinen Nuancen des WR-Spiels hervorragend beherrscht. Johnson agiert oftmals aus dem Slot und läuft einen diversen Route Tree, insbesondere ist er bei Slot Fades zu beachten, die nebenbei gesagt eines meiner Lieblings-Plays sind. WR Rashod Bateman (1170 Yards, 11 TDs) ist der explosivere der beiden, mit absurd guten Händen und einem großen Catch Radius ausgestattet. Kaum ein WR hatte diese Saison mehr Highlight-Catches. Unbedingte Empfehlung! Das Passing Game kreist eigentlich nur um diese beiden Spieler, ab und an wird der dritte WR Chris Autman-Bell eingebunden, das wars.

Hinter einer sehr schweren O-Line (plus einem TE als Extra-Tackle) bekommen drei RBs regelmäßig Carries. Das scheint so ein bisschen eine Spezialität von Fleck zu sein (schon bei WMU bevorzugte er so ein RB-Komitee mit Franklin, Bogan und Bellamy). Die die haben eine relativ ähnliche Statur. Sr. Rod Smith ist dabei der Starter, Shannon Brooks und Mo Ibrahim bekommen aber ebenso ihre Einsätze. Smith hatte eine seltene 6-Jahres-Karriere, Brooks war 5 Jahre dabei, hier endet also gewissermaßen eine Ära.

Diese Truppe hat mit Auburns Defense einen echten Brocken vor sich. Habe ich schon erwähnt, wie sehr ich diese Tigers Defense liebe? DC Kevin Steele lässt in der Regel eine 4-3 oder Nickel spielen, zeigte sich diese Saison teilweise variabler. Die Line besteht aus Beef und Power, undnatürlich muss man zunächst über DT Derrick Brown reden. Brown ist eine nahezu übermenschliche Gestalt mit seiner Kraft und Masse, seiner Quickness und enormen Beweglichkeit (Fußarbeit ist superb), Passrush Moves wie ein DE (u.a. ein unfassbarer Spin Move) seinem Handeinsatz plus Technik sowie seines Motors. Für mich einer der besten DT-Prospects der letzten Jahre. Und dennoch kehrte er nicht nur für seine Senior Season nach Auburn zurück (er wäre auch schon in der letzten Draft ein sicherer 1st rounder gewesen), sondern nimmt nun sogar dieses Spiel. Ich kann jeden Spieler verstehen, der sich anders entscheidet, aber Brown hat damit nochmal einen spezielleren Platz in meinem Herzen gesichert. Ultimate competitor. Allein ist er in der Line indes nicht: DE Marlon Davidson spielt ebenfalls sein letztes Spiel für die Tigers. Nicht dabei sein wird allerdings der dritte NFL Prospect DE Nick Coe.

Auf LB hatten die Tigers einige Abgänge zu verkraften, und doch hat mich diese Unit begeistert. MLB K.J. Britt knüpfte nahtlos an die Leistungen von Deshaun Davis an – und auch an sein hartes Tackling. Und OLB Owen Pappoe halte ich für einen kommenden Star. Enorme Athletik gepaart mit Sideline-Präsenz, sollte allerdings im Frühjahr erstmal ausgiebig in den Weight Room.
Die Secondary hat sich im Saisonverlauf erneut deutlich gesteigert. CB Noah Igbinoghene hat nach seinem Wechsel von WR langsam ein paar mehr Feinheiten des CB-Spiels verinnerlicht. Ich bin ein kleiner Fan von STAR/Nickel-S Christian Tutt, der auch ein exzellenter Punt Returner ist. Hinten stehen die aggressiven run-stopping S Jeremiah Dinson und Daniel Thomas, die nicht ganz zufällig die beiden Top-Tackler des Teams sind. Viel wird in diesem Scheme Richtung Mitte ‚gefloatet‘, wo eben diese beiden Jungs warten. Ich bin gespannt, wie sie mit den vielen SPO Slants und Posts auf Bateman und Johnson umgehen. Ich vermute, es wird das eine oder andere Mal ordentlich krachen.

Tigers Offense vs. Gophers Defense:

Dass die Tigers keine noch erfolgreichere Saison gespielt haben, liegt vor allem an der Offense und hier an true Fr. QB Bo Nix. Der hatte zwar durchaus seine Momente, und man merkt, was für ein Gamer er ist, aber gerade sein Passing aus der Pocket war zu limitiert und inkonstant, so dass sich Top Defenses darauf beschränkten, ihn in Contain zu halten.
Die Offense von HC Gus Malzahn (angelehnt an die alte Delaware Wing-T) baut prominent auf einem Run Game auf, aus dem dann diverse kreative Plays gecallt werden, entweder aus 10- oder 20 Personnel (wobei H-Back, FB und TE hier eigentlich in eins fallen). Das Laufspiel funktioniert am effektivsten mit kräftigen RBs, hier haben die Tigers mit dem immer noch unterschätzten Boobee Whitlow und Fr. D.J. Williams sehr gute Optionen. Williams ist während Whitlosw Verletzung sehr effektiv für ihn eingesprungen. Vor ihnen steht eine O-Line mit zwei NFL-Prospects auf OT (Prince Tega Wanogho und Jack Driscoll).

Diese Saison hat man leider weniger von Malzahns kreativen WR und RB Screen Plays gesehen, keine Ahnung, ob das mit Nix zusammenhing oder nicht. Wenn ein WR Plays macht, dann v.a. der große physische Seth Williams, der Wahnsinns-Skills bei contested Catches an der Seitenlinie mitbringt (catch radius, starke kräftige Hände, body control). Williams ist für mich ebenfalls grob underrated – ein weiterer Neujahrstipp! Durch seine Präsenz hat sich das Passspiel mehr an die Seitenlinie verlagert, es gibt insgesamt weniger quickes Passing als in den vergangenen Jahren. Aufpassen müssen die Gophers aber auf den Speed von WR Anthony Schwartz (einer der 5 schnellsten Spieler im College Football) und RB Shaun Shivers, für die Malzahn einige spezielle Plays parat hat (auch gerne Jet Sweeps o.ä).

Minnesotas Defense kommt nicht ganz mit seiner Offense mit, hatte aber ebenfalls gehörigen Anteil an der sensationellen Saison. Die Gophers lassen eine durchaus risikoreiche Nickel-Defense mit viel Man Coverage (oftmals Cover 1) außen. Das hat auch damit etwas zu tun, dass man gegen den Lauf rein vom Beef her nicht ideal gerüstet ist und daher mehr Hilfe up-front brauchte. In der D-Line wwar vor der Saison nur undersized speedrusher DE Carter Coughlin bekannt, doch eine ähnlich entscheidende Rolle spielte DT Sam Renner innen: ehemaliger Walk-on, bei dem meiner Meinung nach nicht ausgeschlossen ist, dass sich nächste Saison in der NFL versuchen kann. Auf LB fehlt der beste Spieler Kamal Martin, der sich schon auf die Draft vorbereitet. Hatte die Saison über eh mit Verletzungen zu kämpfen, ist ein durchaus interessanter Spielertyp.

Prunkstück ist eindeutig die Secondary mit Star-S Antoine Winfield Jr. (dem Sohn von dem Antoine Winfield). Herausragende Instinkte und Ball Skills, vielleicht gar nicht mal der Top-Athlet, aber immer da, wo man ihn braucht: meiste Tackles, dazu 7 Interceptions! Wer mir richtig gut gefallen hat, ist CB Coney Durr. Nettes Man Cover-Talent, das sich voraussichtlich mit Seth Williams duellieren wird. Doch haben die Gophers genug Power up-front gegen das Laufspiel der Tigers?

Fazit: Auf dem Papier müsste Minnesotas Defense den Tigers und ihrem Laufspiel mit Whitlow/Williams und Nix entgegenkommen. Doch sind Bowlspiele immer so unwägbar, dass ich mich hier nicht auf einen Tipp festnageln lasse. Ich hoffe ganz neutral, dass das Spiel das hält, was die vielen spannenden Matchups auf dem Papier versprechen. Könnte eines der absoluten Highlights außerhalb der NY6 Bowls werden. Unbedingt einschalten!

Citrus Bowl:

#14 Michigan Wolverines (9-3) vs. #13 Alabama Crimson Tide (10-2)
(19:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit; in Orlando, FL)

Der Outback Bowl und der Citrus Bowl haben einige Gemeinsamkeiten, dabei leider eine zu viel: Sie finden traditionell am Neujahrstag in Florida statt, es treffen ein Big Ten- und ein SEC-Team aufeinander – und sie werden zeitgleich ausgetragen. Jeder Popelbowl bekommt seinen eigenen Time Slot, aber diese beiden nicht? Mich wundert das schon ein wenig.
Doch Moment mal: Hier treffen Michigan und Alabama aufeinander, zwei der größten und traditionsreichsten College-Programme überhaupt, und ich rate dennoch zum Einschalten beim Outback Bowl? Michigan, Alabama, besser geht’s doch eigentlich kaum, oder?
Der Grund ist simpel: Diese beiden Teams haben in der Vergangenheit gerne mal demonstriert, dass ihnen die nicht ganz so großen Bowls nicht allzu wichtig sind. Bei Michigan unter HC Jim Harbaugh hat die Vernachlässigung der Bowls schon beinahe Programm. Von einem Sieg in eben diesem Citrus Bowl in seiner Debütsaison abgesehen hagelte es in den letzten drei Jahren drei Niederlagen – und das auch in großen Bowls wie dem Orange Bowl und dem Peach Bowl. Alabama unter HC Nick Saban ist es dagegen gar nicht mehr gewohnt, nicht um die National Championship zu kämpfen: Seit der Einführung der Playoffs in der Saison 2014 stand die Tide jedes Mal im Halbfinale. Im Jahr vor den Playoffs verpasste Alabama allerdings das BCS Championship Game aufgrund des berühmten Kick-Six – und prompt gab es im Sugar Bowl eine 31-45 Niederlage gegen ein nicht gerade übermächtiges Oklahoma mit QB Trevor Knight und passrush-demon Eric Striker. Ich bin gespannt, wie hoch die Motivation der Tide-Spieler ausfallen wird. Kein einziger in diesem Roster hat Erfahrung mit einem Bowl, der nicht gleichzeitig Halbfinale ist. Es wird sicherlich auch noch die eine oder andere kurzfristige Absage von Spielern geben, die dann doch der Draft eine höhere Priorität einräumen.

Michigan hat sich in der Offense im Laufe der zweiten Saisonhälfte deutlich gesteigert. Offenbar brauchte es eine Zeit, das neue System von OC Josh Gattis zu verinerlichen. Das Passspiel von QB Shea Patterson hat mehr und mehr an Relevanz gewonnen – verständlich, wenn man das herausragende WR Corps der Wolverines berücksichtigt. Der hünenhafte WR Nico Collins mit seinen contested Catches, Donovan Peoples-Jones mit seiner Athletik, und dazu kam dann überrraschend auch noch der quicke Slot WR Ronnie Bell. Der andere große WR Tarik Black hat einen Transfer bekanntgegeben und wird daher nicht spielen.
Das Laufspiel ist zumindest phasenweise ebenfalls effektiver geworden mit true Fr. Zach Charbonnet (eher der Bruiser) und Hassan Haskins (ebenfalls groß und kräftig, aber etwas explosiver). Viel hängt in Pass und Lauf auch damit zusammen, dass die O-Line sich im Laufe der Saison gefangen hat und u.a. in The Game gegen Ohio State eine starke Leistung gegen all-world Passrusher Chase Young zeigte. C Cesar Ruiz und die linke Seite mit Ben Bredeson und Jon Runyan wären hier besonders zu beachten, falls sich jemand am Neujahrstag wirklich mit O-Linern rumschlagen will.

In der Defense ist alles beim Alten, so dass ich das hier nur kurz abhandele. Wie immer gilt bei DC Don Brown: Press Man Coverage außen, viel Druck mit exotischen Blitz Packages vorne. Im Passrush sind insbesondere DE Kwity Paye und LB Josh Uche zu beachten. Uche declarte für die Draft, wird jedoch noch im Citrus Bowl spielen: herausragender Speed, gute Quickness, aber keine klare Position, wurde von DC Brown überall eingesetzt (von DE über OLB bis MLB). Paye ist der klassischere DE, der nun etwas überraschend erklärte, 2020 nach Michigan zurückzukehren.
Sein letztes Spiel für die Wolverines wird VIPER Khaleke Hudson machen, der sich mit einer herausragenden Saison (trotz eines blöden Spiels gegen Ohio State) verabschiedet. Unbedingt möchte ich euch erneut LB Cam McGrone ans Herz legen, von dem ich im nächsten Jahr den absoluten Durchbruch erwarte.
Auch in der Secondary muss von langjährigen Startern Abschied genommen werden: CB Lavert Hill hat mit seiner sehr aggressiven Coverage bis an die Grenzen des Erlaubten erneut sehr wenig zugelassen. Er wird ebenso wie S Josh Metellus vermisst werden, der hinten den Laden über drei Jahre zusammenhielt und den ich wesentlich besser eingeschätzt habe als die meisten Medien. Würde mich nicht überraschen, wenn wir ihn nächste Saison Sonntags sehen.

Stand jetzt tritt Alabamas Offense beinahe in Bestbesetzung an – von Verletzungen wie bei Tua mal abgesehen. Es wird also erneut QB Mac Jones starten, der seine sehr wechselhafte Performance im Iron Bowl wiedergutmachen möchte. Einerseits nahm er im Passing Auburns Defense auseinander wie die ganz großen QBs, andererseits erlaubte er sich einige kritische Fehler, unter anderem zwei Pick-Sixes, die das Spiel mitentschieden. Seine Receiver sollen alle am Start sein, also auch Jerry Jeudy (der sich bereits für die Draft entschieden hat), Henry Ruggs und DeVonta Smith (der angeblich für seine Senior Season nach Tuscaloosa zurückkehren will). Der supeschnelle Jaylen Waddle ist ja eh noch mindestens 2020 am Start. Die O-Line mit den beiden Top-Prospects LT Alex Leatherwood und RT Jedrick Wills wird wohl ebenfalls komplett auflaufen. Wills hat eine fantastische zweite Saisonhälfte gespielt und neben seinem nasty runblock auch im Passblock so exzellente Leistungen gezeigt, dass er in der 1st round Conversation ist. Mitte der Saison hatte ich ihn noch als Sleeper bezeichnet. Von RB Najee Harris, der sich nach einer exzellenten Saison nach ganz oben katapultiert hat, habe ich nichts Gegenteiliges vernommen.
Sprich: Wenn die Tide Offense motiviert ist, dann kann das ein durchaus ansprechendes Duell mit der Wolverines Defense werden. Aber warten wir vielleicht erstmal ab, wer dann wirklich aufläuft.

In der Defense haben einige mehr Spieler bekanntgegeben, dass sie nicht auflaufen werden, unter anderem Passrusher Terrell Lewis und CB Trevon Diggs. DE Raekwon Davis ist wegen seiner Verletzung aus der regulären Saison noch fraglich, ich würde ihm ehrlich gesagt raten hier auszusetzen. Weitere Spieler wie NT D.J. Dale fallen verletzt aus. Gerade in der Front-7 werden wir also sehr viele sehr junge Spieler sehen – was letztlich nur die Tendenz der letzten Spiele fortsetzt. Hier hat Nick Saban einfach zu wenig Depth gehabt, wie schon im vergangenen Jahr. OLB Anfernee Jennings wird gewissermaßen den Opa geben, falls er denn aufläuft. Jennings ist nicht der athletischste Passrusher vor dem Herrn, aber ein exzellenter Edge Defender mit seinen langen Armen, seiner guten Technik beim Edgesetten, Contain und Block-shedding. Ein batted Pass pro Spiel ist mindestens drin. Jennings wird mir ein wenig fehlen.
In der Secondary ist mit dem exzellenten S Xavier McKinney und CB Patrick Surtain natürlich immer noch enorme Qualität vorhanden, hier werden wir aber auch eine kleine Vorschau aufs nächste Jahr bekommen.

Fazit: Motivation kann ich nicht tippen. Vielleicht wirds ja wider Erwarten ein Kracher. Irgendwie komme ich nicht umhin, dann doch auf Alabama zu setzen.

Rose Bowl:

#6 Oregon Ducks (11-2) vs. #8 Wisconsin Badgers (10-3)
(23:00 Uhr mitteleeuropäischer Zeit; in Pasadena, CA)

Im Intro für den Rose Bowl schreibe ich Jahr für Jahr dasselbe: Es gibt einfach keine schönere Kombination aus Tradition, Historie, Kulisse und sportlicher Relevanz als dieses Spiel, The Granddaddy of Them All! Die Luftaufnahmen vor Kickoff sind jedes Mal wieder atemberaubend schön. Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten ist der Rose Bowl als Livespiel mein Auftakt zum neuen Jahr – und ich hoffe wirklich, dass sich das bis an mein Lebensende nicht ändern wird.
Die Playoffs haben dem Spiel natürlich die alles überragende Bedeutung genommen. Die Sieger aus Big Ten und Pac-12 treffen nur noch selten aufeinander. Wenn der Rose Bowl eines der Halbfinals ist, kommen auch Teams aus anderen Conferences zum Zuge (wie vor zwei Jahren Georgia und Oklahoma). Wenn er ‚nur‘ ein NY6-Bowl ist, ist meist einer der beiden Conference Champions für das jeweilige Halbfinale qualifiziert. So auch in diesem Fall: Oregon ist Pac-12 Champion, Wisconsin Finalist im Big Ten Championship Game. Sieger Ohio State spielte bekanntlich im Fiesta Bowl das Halbfinale gegen Clemson. Oregon hatte dabei noch länger die große Chance auf die Playoffs, doch das Team von HC Mario Cristobal sammelte sich eine unnötige Niederlage gegen Arizona State ein, die alle Träume platzen ließ. Wisconsin dagegen konnte froh sein, nach zwei Niederlagen in Serie (u.a. gegen Illinois) noch Minnesota als Big Ten West Champion abzufangen. Und fast hätte es ja zu einer Sensation gegen Ohio State im Championship Game gereicht. Nach einer unfassbaren ersten Halbzeit führte man mit 21-7, ehe man doch noch einbrach.

So oder so ist Wisconsin gegen Oregon ein spannendes Matchup, auf das ich mich sehr freue. Nach den Championship Games hoffte ich ehrlich gesagt auf diese Partie. Spontan wurden Erinnerungen geweckt an den Rose Bowl von 2012, als genau diese beiden Teams aufeinandertrafen und sich einen spektakulären Shootout lieferten. Wer eine halbe Stunde investieren will, es lohnt sich (und seid ehrlich, an einem verkaterten Neujahrstag gibt es wenig besseres, als sich von jeder Menge Touchdowns berieseln zu lassen). Ausnahmsweise verrate ich auch das Ergebnis noch nicht. Und wen ich immer noch nicht damit gekriegt habe: Bei Wisconsin spielten unter anderem QB Russell Wilson, RB James White und LB Chris Borland, bei Chip Kellys hurry up Offense unter anderem die RBs LaMichael James, Kenjon Barner und „Black Mamba“ De’Anthony Thomas sowie LB Kiko Alonso in der Defense:

Ob es in dieser Ausgabe ganz so viele Punkte zu bestaunen gibt, halte ich für eher fraglich – doch auch damals hatte trotz der explosiven Ducks Offense kaum jemand mit einem solchen Endergebnis gerechnet.

Beide Teams werden voraussichtlich recht viel aufs Laufspiel setzen, und doch könnten die offensiven Philosophien kaum weiter voneinander entfernt sein. Werfen wir also einen Blick auf die Matchups.

Badgers Offense vs. Ducks Defense:

Es ist an der Zeit, Abschied zu nehmen. Einer der größten Footballer der Big Ten-Geschichte betritt voraussichtlich zum allerletzten Mal die Bühne. Und keine Bühne wäre passender als der Rose Bowl. Die Rede ist natürlich von Badgers RB Jonathan Taylor, dem nur 91 Yards zu einer zweiten 2000 Yard-Saison in Folge fehlen. So viele back-to-back 2000er gibts nicht, mir fällt da zuerst Iowa States Troy Davis ein. Und nicht, dass Taylors Freshman-Saison so viel schlechter gewesen wäre, seinerzeit scheiterte er mit 1977 Yards nur knapp an der magischen Grenze.
Taylor lässt es sich trotz der vielen Carries als Bellcow der Badgers Offense drei Jahre in Folge nicht nehmen, noch einmal aufzulaufen. Darin ähnelt er einem anderen großen Big Ten RB der jüngeren Zeit, Saquon Barkley. Der entschied sich ebenso gegen besseren Rat, im Fiesta Bowl noch einmal anzutreten und half beim Sieg seiner Nittany Lions gegen Washington mit. Beide sind herausragende Charaktere und Typen auch abseits des Feldes. Taylor zeichnete sich durch große Bescheidenheit aus, war zuvorderst ein absoluter Teamplayer, zudem well-spoken und sehr intelligent. Hatte sogar ein Angebot aus Harvard vorliegen. Einer der beeindruckendsten Footballspieler der letzten Jahre.
Ich habe so oft Taylors distinktiven Laufstil vorgestellt, dass ich es mir hier einfach spare. Hinsehen und genießen. Er wird eine riesengroße Lücke hinterlassen.

Assistiert wird er wie immer von einer großartigen O-Line um C Tyler Biadasz und LT Cole Van Lanen, letzterer ist allerdings noch fraglich. O-Line und Taylor sind das Gerüst, auf dem alles andere aufbaut. Und das „alles andere“ war diese Saison besser als in den vergangenen: QB Jack Coan hat eine schöne Entwicklung genommen, sehr akkurat (über 70% completions), vermied Fehler (nur 4 INTs) und sorgte für das eine oder andere Big Play per Pass. Hier war insbesondere die Rückkehr des besten WR Quintez Cephus entscheidend, der nach seiner Pause sofort wieder zum go-to-guy avancierte. Dass bezüglich seiner Unschuld sicherlich ein paar Zweifel bleiben, habe ich bereits dargelegt. TE Jake Ferguson führt die Tradition der Badgers TEs fort. In den letzten Wochen ist HC Paul Chryst deutlich variabler geworden, unter anderem mit vielen Reverses und Jet Sweeps (v.a. mit Kendric Pryor), QB Coan bei Zone Reads oder RB Garrett Groshek im Receiving. Ich bin mir sicher, dass er eins, zwei Überraschungen aus dem Hut zaubern wird.

Oregons Defense ist sicherlich ein wenig mehr auf die Spread Offenses der Pac-12 ausgelegt, hat aber gerade im Spiel gegen Utah bewiesen, dass sie auch im physischen Mann gegen Mann gut aufgestellt ist. Erstaunlicherweise liegen ihre Stärken statistisch sogar eher gegen den Lauf, nur ist mit Lauf in der Pac-12 etwas anderes gemeint als das, was Wisconsin da an Physis aufs Feld stellt. Ganz viel wird auf den kleinen NT Jordon Scott ankommen, der extrem stout ist und aufgrund seiner Balance und natürlichen Leverage sehr schwer zu bewegen ist. C Biadasz gegen Scott dürfte eines der Schlüsselduelle sein. Ich bin außerdem gespannt, wie sich Freshman Sensation DE Kayvon Thibodeaux gegen Van Lanen (oder den RT oder seinen Ersatz) schlagen wird. Thibodeaux kam immer besser in Fahrt und hat definitiv das Potenzial zum Superstar. Da er kein undersized Speedrusher ist, sondern mit einem echten 4-3 DE Körperbau ans College kam, sehe ich ihn hier auch gegen den Lauf nicht komplett chancenlos. Thibodeaux ist wegen einer Handverletzung allerdings noch fraglich.
Ebenfalls nicht gesichert ist das Auflaufen von LB Troy Dye in seinem nun definitiv letzten College-Spiel. Der variable playmaking LB zeigte im Pac-12 Championship Game gegen Utah noch einmal alles, was Ducks- und auch CFB-Fans so sehr an ihm schätzten. Ein wenig der heimliche MVP des Spiels.
Die Secondary ist die vielleicht größte Stärke der Defense, die Frage ist allerdings, in welchem Ausmaß es auf sie ankommen wird. Einer der beiden physischen CBs Thomas Graham und Deommodore Lenoir wird sich um WR Cephus kümmern müssen. Ich vermute, dass S/Nickel-DB Jevon Holland trotz seiner herausragenden Instinkte in der Coverage viel in der Box bleiben wird. Die Ducks werden mit nur einem Centerfielder spielen (voraussichtlich Fr. S Verone McKinley) und massiver up-front stehen. Vielleicht packt ja Backup S Brady Breeze noch einmal so ein sensationelles Spiel aus wie gegen Utah.

Ducks Offense vs. Badgers Defense:

Hier gilt es ebenfalls, Abschied zu nehmen: QB Justin Herbert wird ebenfalls zum letzten Mal in – naja, welcher Farbe auch immer, bei den Ducks weiß man nie so genau – auflaufen. Die öfter aufkommende Kritik an Herbert ist ein wenig ungerecht. Ich habe den Eindruck, dass es öfter mal Quarterbacks trifft, die ein wenig mehr im Kopf haben als nur Football. Aber seis drum. Er hat sich gegenüber seiner Junior Season noch einmal deutlich verbessert (insb. in Sachen Accuracy). Ein paar Schwächen bleiben (Verhalten unter Druck, schnelles Abklappern der Reads), dennoch ist und war er ein herausragender College-QB, der mit großer Wahrscheinlichkeit in der ersten Runde der Draft einen Abnehmer finden wird. Und die William V. Campbell Trophy (aka Academic Heisman) konnte er noch nebenbei abstauben. Kein ganz so schlechtes Jahr, wenngleich er wahrscheinlich vieles für eine Playoffteilnahme eingetauscht hätte.

Was wohl zur Kritik an Herbert beigetragen hat, ist die Tatsache, dass er eine der besten, vielleicht sogar die beste OL des Landes vor sich hatte: LT Penei Sewell ist ein Monster, wie ich es selten erlebt habe, und für mich ein Lock für einen Top-Draftpick 2021, dennoch war er nicht allein. Es ist verdient, dass einmal alle Namen erwähnt werden: Sewell, Shane Lemieux, Jake Hanson, Dallas Warmack, Calvin Throckmorton. Würde mich nicht wundern, wenn alle fünf später von sich behaupten können, in der NFL aufgelaufen zu sein.
Von dieser Line profitiert hat nicht nur Herbert, sondern auch das Laufspiel um RB C.J. Verdell, das eine prominentere Rolle eingenommen hat, als ich vor der Saison vermutete. Verdell erinnert an einen dieser kleinen Oregon-Flitzer der Chip Kelly-Ära, ist aber inside wesentlich tougher und kann auch die schmutzigen Yards rausholen. Hinter ihm hat man mit Cyrus Habibi-Likio noch einen Spezialisten für short Yardage, der gegen die physische Badgers D vielleicht ein paar Carries mehr als üblich bekommen könnte.
Im Passspiel hat mich WR Johnny Johnson überzeugt, der nicht nur Speed, sondern erstaunlich gutes Route Running offenbarte. Jaylon Redd underneath und der kräftige athletische Juwan Johnson (Penn State Transfer, bei dem ich seit Jahren auf den Durchbruch warte) komplettieren die Unit. Vielleicht sehen wir auch etwas von Fr. Mycah Pittman, der wieder fit sein soll.

Wisconsins Defense hat mich überrascht. DC Jim Leonhard ist es gelungen, eine richtig eingespielte Truppe zu formen, obwohl das Talent sicherlich nicht mehr in der Menge vorhanden ist wie noch 2015-2017. Die Badgers treten weiter in ihrer pro-style two-gapping 3-4 an. Die D-Liner sind primär dazu da, die O-Liner zu beschäftigen und vom 2nd level abzuhalten. Die Badgers Defenses leben seit Jahren von ihren Linebackern, und da ist diese Saison keine Ausnahme. Dennoch:  Zunächst wird es darauf ankommen, diese Monster-OL in Matchups aufzureiben. Hier wird ebenfalls dem NT eine große Verantwortung zukommen: Fr. Keeanu Benton hat gute Ansätze gezeigt, dennoch sind C Hanson und OG Lemieux richtige Kaliber.
Die Linebacker sind absolut fantastisch, und das ist keine Übertreibung. Auf OLB hat sich Zack Baun zu einem Top-Edgerusher entwickelt, bei dem ich nicht mehr ausschließen würde, dass er in der Draft am zweiten Tag geht. High energy, versteht die Nuancen des Passrushs, variabler Armeinsatz, aber mehr als nur auf QB-Jagd: stark gegen den Lauf, solide in Coverage. Playmaker.
Ein weiterer Playmaker ist ILB Chris Orr, der eine schlimme Verletzungshistorie hat, nun endlich zum ersten Mal seit längerem beschwerdefrei ist. Orr hat Spielintelligenz in so hohem Maße, dass darüber spekuliert wird, ob er als Coach nicht fast besser geeignet sei als als Prospect. Aber nur fast, denn er bringt neben seiner Arbeit in der Box den X-Factor der Defense durch erfolgreiche Blitze inside (bereits 11.5 Sacks als ILB!). DC Leonhard arbeitet sehr viel mit Blitzes, ohne dabei die Coverage zu vernachlässigen. Insbesondere Blitz Overloads auf einer Seite sind sein Spezialgebiet. Mit Jack Sanborn und true Fr. Leo Chenal sind die Badgers auf LB auch nach dem Abgang von Baun und Orr für die Zukunft hervorragend gerüstet.
Der nominell schwächste Part ist die Secondary, doch hier wird viel mit dem Scheme verdeckt. Leonhard präferiert Zone, die in der Regel sehr diszipliniert umgesetzt wird. In den letzten Wochen hat mit CB Caesar Williams ganz gut gefallen. Hier wechseln die Badgers teilweise ein wenig mehr durch als andere Teams. Die Safeties sind in Abwesenheit des Langzeitverletzten Scott Nelson solide, Eric Burrell ist der erfahrenste.
Nominell müsste die Zone Coverage gegen das WR Corps der Ducks halbwegs funktionieren. Wie man trotz des Beef up-front einen Runner wie C.J, Verdell hinter dieser O-Line stoppt, scheint für mich die größere Frage zu sein.

Fazit: Oregon ist bei den Buchmachern leichter Favorit, und ich kann durchaus verstehen, warum. Die Trenches und der QB sprechen für sie, und das Laufspiel ist nicht weit zurück. Doch irgendwie habe ich im Gefühl, dass Wisconsin ein paar Kniffe in petto hat, die die Ducks noch nicht gesehen haben. Die erste Halbzeit gegen Ohio State war ein schematisches Meisterstück gegen ein deutlich talentierteres Team. Da meine Tipps höchstens eine mittelmäßige Erfolgsquote haben, sollte das aber nicht viel heißen. Ich hoffe auf ein dramatisches Spiel mit herausragender Defense auf beiden Seiten.

Sugar Bowl:

#5 Georgia Bulldogs (11-2) vs. #7 Baylor Bears (11-2)
(02:45 Uhr mitteleuropäischer Zeit; in New Orleans)

Der Sugar Bowl ist in Europa für all diejenigen besonders geeignet, die gut vorgeschlafen oder den Übergang ins neue Jahr nicht größer gefeiert haben. Traditionell spielt im Sugar Bowl ein Team aus der SEC, seit der Einführung der NY6-Bowls gegen ein Team aus der Big 12 (wenn der Sugar Bowl kein Halbfinale austrägt). Georgia ist zum zweiten Mal in Folge dabei, nachdem man jeweils zumindest vom Ranking her die Playoffs knapp verpasst hat. In der 2019er Ausgabe verloren die Bulldogs ein wenig überraschend gegen Texas. Dieses Jahr treffen sie auf der Überraschungsteam Baylor Bears, die lediglich zweimal knapp an Oklahoma scheiterten, ansonsten aber jedes Spiel gewannen. Sicherlich nicht immer schön oder spektakulär, doch das interessiert am Ende niemanden. Baylor spielte in seiner Geschichte einmal im Sugar Bowl, und zwar 1957, als man die ungeschlagenen Tennessee Volunteers mit 13-7 besiegte. Gelingt heute eine erneute Überraschung?

Die Chancen stehen dafür meiner Ansicht nach gar nicht so schlecht. Georgia hat das große Ziel Playoffs durch eine herbe Klatsche im SEC Championship Game gegen LSU verpasst, leidet unter größeren Verletzungsproblemen und muss auf einige Schlüsselspieler verzichten, die sich lieber schon auf die Draft vorbereiten. Je nachdem, wie viele Spieler nicht mehr fit werden, könnten die Bulldogs mit einer halben Rumpftruppe antreten. Und wie gesagt, die Motivation in Bowlspielen – selbst in so bedeutenden wie dem Sugar Bowl – ist oftmals ungleich verteilt.

Um die Personalprobleme der Bulldogs in der Offense mal aufzudröseln: Die beiden OTs Andrew Thomas und Isaiah Wilson verzichten freiwillig. So können wir einen ersten intensiveren Blick auf Jamaree Salyer werfen, einer der Top-Recruits von 2018, der gemeinsam mit seinen OL-Kollegen aus der 2018er Class, Cade Mays und Trey Hill, voraussichtlich die rechte Seite bemannen wird (voraussichtlich Hill C, Mays RG, Salyer RT). RB D’Andre Swift laboriert noch an seiner Schulterverletzung, wird aber eventuell auflaufen. Denke allerdings er wird nicht zu viel Spielzeit bekommen, bevor es dann Richtung Draft geht. Sein erfahrener Backup Brian Herrien fällt aus. Bei den WRs fehlen Lawrence Cager und Dominick Blaylock, hier wird es vor allem auf true Fr. WR George Pickens ankommen, der sich mit seiner unnötigen Aktion gegen Georgia Tech nicht nur Freunde gemacht hat. Selbst QB Jake Fromm in seinem wohl letzten College-Spiel ist aufgrund seiner Knöchelverletzung nicht im Vollbesitz seiner Kräfte. Wir werden also wohl einige neue Gesichter in der Bulldogs Offense sehen, insgesamt sind die Aussichten allerdings weniger rosig.

Die Bulldogs Defense hat eine herausragende Saison gespielt, stieß gegen LSU aber an ihre deutlichen Grenzen. Habe allerdings die Strategie von HC Kirby Smart nicht verstanden, gegen Joe Burrow Contain und Zone zu spielen, so wurde die Defense ganz in Ruhe zerpflückt. Ansonsten agierte die Defense nicht übermäßig spektakulär, was Blitzattacken oder jede Menge Turnovers betrifft, dafür enorm sound und diszipliniert. Nicht umsonst waren die Bulldogs in der regulären Saison nach SP+ die beste Defense des Landes. Auch hier muss Georgia auf einige Schlüsselspieler verzichten, unter anderem den besten D-Liner Tyler Clark und S J.R. Reed. Reed hätte ich gerne noch einmal gesehen, weil er mir in den vergangenen Jahren wirklich viel Freude bereitet hat. Seinen Weg von einem recht unbekannten Starter zu einem unterschätzten Spieler bis zu seiner Würdigung in seiner Senior Season (u.a. Finalist für den Thorpe Award) habe ich intensiv mitverfolgt und ihn euch auf dem Blog sehr früh ans Herz gelegt. Nächster Stop NFL. In der Line ist so vor allem auf den jungen NT Jordan Davis zu achten, der etwas unbemerkt eine ziemlich starke Saison in der Mitte spielte. Kein reiner 2-gap Clogger, sondern durchaus recht beweglich für seine Masse.
Außerdem sind die wichtigsten Linebackers dabei, vor allem die ILBs Monty Rice und Tae Crowder. Von den OLBs muss in der kommenden Saison mehr im Passrush kommen, hier vermitteln die beiden Freshmen Azeez Ojulari und Nolan Smith Hoffnung, die diese Saison bereits wertvolle Spielpraxis sammeln konnten.
In der Secondary wird der zuvor angeschlagene CB Eric Stokes spielen. Ebenfalls mit von der Partie ist Richard LeCounte, der andere Teil des genialen Safety-Duos der Bulldogs. LeCounte hat sich nach eigener Aussage noch nicht für einen Sprung in die NFL entschieden, ein Verbleib in Athens würde mich allerdings ein wenig überraschen. Diese Secondary schätze ich auch ohne Reed als Stärke der Bulldogs ein.

Bei Baylor betreffen die wichtigsten Spekulationen den HC. Matt Rhule ist bei verschiedenen NFL-Teams sehr hoch im Kurs, doch der sympathisch wirkende Trainer, der Baylor nach den üblen Skandalen in nur drei Jahren aus dem Keller geholt hat, tendiert angeblich zu einem Verbleib in Waco. Warten wir mal ab. In der Offense wird er wieder auf QB Charlie Brewer zurückgreifen können, der als Passer deutliche Fortschritte gemacht hat und dazu per Run (gerade QB Draw) immer wieder für wichtige 1st downs sorgt.  In der Offense sind ansonsten zwei Skill Player hervorzuheben: zum einen der all-purpose Back JaMychal Hasty, der meiner Meinung nach mehr Carries verdient hätte (obwohl Co-Starter John Lovett sogar etwas bessere Stats aufweist), zum anderen Star-WR Denzel Mims, der neben seinen überragenden körperlichen Attributen unterschätzten Speed mitbringt, und daher auch durchaus mal tiefe Plays machen kann. Sein Duell gegen CB Stokes dürfte eines der Schlüsselduelle sein. In der OL ist C Sam Tecklenburg zu beachten, der gerade bei den beliebten QB Draws natürlich eine entscheidende Rolle spielt.

Der spektakulärere Mannschaftsteil ist zweifelsohne die Defense, die in einer Big Nickel 3-3-5 antritt und durch jede Menge kreative Blitzes auffällt. Hier wird nicht reagiert, sondern agiert und die Offense mit dem Snap unter Druck gesetzt. Die 3er D-Line ist enorm stark: DE/DT James Lynch spielte eine sensationelle Saison und wurde sogar zum Big 12 Defensive Player of the Year ernannt 18.5 TFL, 12.5 Sacks). Für einen NT bekommt Bravvion Roy ziemlich viel inside Pressure auf den QB, meiner Ansicht nach ein sehr interessanter Spieler. Und DT James Lockhart fiel mir bspw. gegen Oklahoma im Big 12 Championship Game ebenfalls mehrfach sehr positiv auf.
Die Linebacker sind sehr aktiv. OLB Jordan Williams ist der vielleicht am vielseitigsten einsetzbare, der auch in der Coverage zu gebrauchen ist. MLB Terrell Bernard räumt innen ab, wird aber ebenso gern auf Blitzes geschickt wie der andere OLB Blake Lynch. Es lohnt sich wirklich, diese Unit einmal näher zu betrachten.
In der Secondary gefallen mir die Safeties am besten. Meistens stehen drei auf dem Platz mit sehr unterschiedlichen Rollen. Pre-Snap wirkt es oftmals wie drei Reihen hintereinander aufgestellt mit den beiden CBs außen. Grayland Arnold ist eher der tiefe Mann mit vielen Free Safety-Aufgaben, wo er seine exzellenten Ball Skills (6 INTs) ausspielen kann. In den letzten Spielen hat mich jedoch der unbekannte S Chris Miller fast am meisten beeindruckt. Kommt schnell downhill und ist ein guter Tackler, ohne dass sich sein Impact in besonders vielen Big Plays äußert. Könnt ja mal ein Auge auf ihn werfen. An Georgias Stelle würde ich mit den großen WRs die CBs am Perimeter attackieren.

Ich bin gespannt, welche Taktik Baylors DC Philip Snow wählen wird: Dauerpressure, um die unerfahrenen OTs der Bulldogs zu testen, oder erst einmal etwas disziplinierter Swift und den Run verteidigen. Baylor kann mit seinem kreativen System sehr variabel agieren und wirkt dabeei ähnlich effektiv.

Fazit: Wäre es ein reguläres Saisonspiel, würde ich Georgia vorn sehen. Aber die Verletzungsprobleme und mögliche Motivationslücken führen dazu, dass ich ein spannendes Spiel erwarte, in dem voraussichtlich die beiden Defensivreihen den Ton angeben werden. Ich wage es und setze auf einen knappen Sieg der Bears, die damit ihre fantastische Saison krönen.

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