National Signing Day 2020

 

Vorab in eigener Sache: Ich hatte schon viel früher vor, einen ausführlichen Beitrag zum Recruiting zu veröffentlichen. In den vergangenen Monaten lässt die Zeit allerdings nur eingeschränkte Aktivität zu, die ich im Notfall lieber auf die College Football-Saison selbst konzentriere. Am aufwendigsten ist dann die Bowl Season, in der ich mit einem Tag Ausnahme Vorschauen für alle Spiele verfassen konnte. Insofern fand sich schlicht keine Zeit, die Early National Signing Period bis zum 20. Dezember mit einem ausführlichen Beitrag zu bedenken. Falls es zu keinen gravierenden Änderungen kommt, werde ich in der kommenden Saison mehr zeitliche Ressourcen für den Blog haben und hoffentlich etwas aktueller von den Neuigkeiten im Recruiting berichten können.

Am diesjährigen National Signing Day, dem 5. Februar, wurden die Recruiting Classes der Colleges finalisiert und alle Fragen beantwortet. Alle? Naja, vielleicht nicht ganz, doch dazu unten mehr. Zunächst ist jedoch festzuhalten, dass der Trend der letzten beiden Jahre sich stabilisiert: Seit der Implementierung der Early Signing Period im Dezember vor zwei Jahren entscheiden sich die meisten Spieler, ihren Letter of Intent (LOI) an das College zu schicken, für dessen Angebot sie sich entschieden haben. Einen signifikanten Anstieg wie von 2017/18 auf 2018/19 gab es nun allerdings nicht mehr. Die Zahl der frühen Signings pendelte sich bei etwas unter 80% ein. Trotz der Stagnation ist das eine bemerkenswert hohe Zahl und zeigt, wie wichtig die Early Signing Period für alle Beteiligten geworden ist. Sie verschafft sowohl Spielern als auch Coaches eine gewisse Planungssicherheit. Gerade die Coaches insistieren verstärkt darauf, dass die Commits bereits im Dezember ihre feste Zusage einreichen. Wer zwar bereits für das entsprechende College committet hat, den Letter of Intent jedoch nicht im Dezember abschickt, gilt mittlerweile als Wackelkandidat. Es kam bereits einige Male vor, dass für Spieler, die als feste Commits galten, aber mit der Unterschrift zögerten, plötzlich kein Platz mehr frei war.

Diese Änderung ist nach wie vor ein beträchtlicher Nachteil für Programme, die ihren kompletten Coaching Staff wechseln, da nun noch weniger Zeit bleibt, 1) Kontakt und Vertrauen zu Teilen der Recruiting Class des alten Head Coaches aufzubauen und diese zum Bleiben zu bewegen und 2) eigene Recruits an Land zu ziehen. Wie ich in dem Mailbag am Ende der Saison ausführte, ist die Vertrautheit mit dem Coaches für viele Recruits der entscheidende Faktor bei der Entscheidung. Schließlich müssen sie oftmals fernab der gewohnten Heimat zum ersten Mal auf eigenen Beinen stehen und benötigen Ansprechpersonen, denen gegenüber sie sich notfalls öffnen können. Dennoch gelingt es guten Recruitern immer wieder, auch an neuer Wirkungsstätte adäquate Not-Klassen aus dem Hut zu zaubern. Doch für die Toptalente bleibt nur wenig Zeit: 265 der Top 300 Recrruits haben sich bereits in der frühen Signing Period entschieden, also ein höherer Anteil als bei der Gesamtmenge der gelisteten Recruits.

Und selbst von diesen entschieden sich nur wenige am eigentlichen (und endgültigen) National Signing Day. Der größte Name war wohl S Avantae Williams (#2 S, #44 overall), der sich überraschend doch für seine ursprüngliche Wahl Miami und gegen den Favoriten Florida entschied. Doch man muss nicht einer der absoluten Top-Prospects sein, um es spannend zu machen, wie 3-star CB Ennis Rakestraw bei seinem öffentlichen Announcement bewies. Texas? Nein, doch nicht? Alabama? Nö, auch nicht. Nachdem er die beiden Caps auf die Nebensitzer verteilt hatte, wurde die eigentliche Entscheidung pro Missouri bekanntgegeben. Kann man mal so machen.

Kommen wir nun zum Ranking der Klassen. Vorab: Ich orientiere mich der Einfachheit halber an den 247 Composite Rankings, die eine Kombination der drei großen Recruiting Services ESPN, 247 und rivals darstellen. Diese Rankings sind im letzten Jahrzehnt tendenziell exakter geworden, was sicherlich mit den verbesserten Möglichkeiten des Scoutings gerade im Vergleich der einzelnen Recruits (etwa in den diversen Camps) zusammenhängt. Zudem ist auch im Highschool-Football eine Konzentration auf große und ressourcenstarke Programme zu konstatieren, und private Schulen wie beispielsweise die IMG in Bradenton, Florida treiben das Ganze mit ihrer landesweiten Suche nach Talenten auf die Spitze. Die Vorbereitung aufs College ist insgesamt deutlich besser geworden, auch und gerade in physischer Hinsicht.

Dennoch muss ich einen kurzen Absatz in eigener Sache anfügen, gewissermaßen als Vorabinformation für euch: Seid grundsätzlich vorsichtig, wenn euch irgendwelche Seiten oder Hobbyanalysten etwas zu den Recruits sagen wollen und diesen oder jenen besonders anpreisen. Entweder geben sie die Rankings mehr oder weniger eins zu eins wieder oder sie orientieren sich an Highlight-Videos bei Hudl und ziehen daraus irgendwelche Statements. Recruting ist nicht mit der Draft zu vergleichen. Systeme und level of competition sind meist so grundverschieden, dass man mit Schlüssen wesentlich vorsichtiger sein sollte als alles, was ihr so in den Weiten des Netzes zu lesen bekommt. Ich habe mich in den Jahren von ca. 2010 bis 2013 unfassbar intensiv mit dem Scouting von Highschool Playern beschäftigt, was dazu geführt hat, dass ich in diesen Jahren weniger College Football verfolgen konnte als in den Jahren davor oder danach. Obwohl ich Draft-Scouting ja auch damals schon seit über 10 Jahren intensiv betrieb, kam ich einem vernünftigen Ranking nicht wirklich nahe – trotz Stunden und Aberstunden, die ich mich in die Materie einließ. Ich habe damals in diversen Foren nur eine Handvoll Accounts kennengelernt, denen ich darin einigermaßen vertrauen würde, weil sie wirklich sowohl die Instrumentarien und die Methodik entwickelt haben als auch das zeitliche Engagement mitbringen. Nehmt also Leute, die sich da mal nebenbei eins, zwei Videos angeschaut haben und auf der Basis gleich mal Spieler ranken wollen, nicht zu ernst. Schaut euch die Spieler eures Teams selbst an und lasst Zweifel zu. Sie sind wichtig und hier eben auch notwendig. Das gilt explizit genauso für diesen Beitrag. Alle diese Einschätzungen also nicht zu ernst nehmen.

Nun aber wirklich ans Eingemachte: Gab es in den letzten beiden Jahren nach den Composite Rankings einen relativ eindeutigen Spitzenreiter (2019: Alabama, 2018: Georgia), haben wir es 2020 mit einem Spitzentrio zu tun. Insgesamt blieben die großen Recruting-Fische unter sich, doch immerhin verteilen sich die absoluten Top-Recruits, die 31 5-star Prospects, dieses Jahr auf 13 Teams.

Das beste Ranking konnte nach 2017 zum zweiten Mal Georgia für sich verbuchen. HC Kirby Smart und seine Crew verstehen es wirklich seit ihrem ersten Tag exzellent, Talent nach Athens zu lotsen. Insgesamt vier 5-stars und 11 Spieler der ersten 100 konnte der Bulldogs Staff von sich überzeugen. Der höchste Recruit ist CB Kelee Ringo (#4 overall), der zwar schon zur Early Signing Period seine Unterlagen einreichte, diese Entscheidung allerdings erst später öffentlichkeitswirksam bekanntgab. Ein bisschen Flair muss halt doch sein. Ringo ist ein großer, physischer, fast schon überaggressiver und superschneller DB (lief eine 4.3er 40 und eine 10.58 auf 100 Meter), der geradezu nach früher playing time schreit – wohl einer der fertigsten Recruits des Jahrgangs. An Ringo waren wirklich alle Top-Programme interessiert. Die Länge lässt sich hier schon erahnen:

Des Weiteren sind die Bulldogs wie schon in den letzten Jahren sehr erfolgreich beim Recruting von O-Linern: 5-star OT Broderick Jones (#2 OT, #11 overall), dazu die hohen 4 stars OT Tate Ratledge (#3 OT) und C Sedrick Van Pran (#1 C). Somit bleibt trotz des Verlusts einiger Starter in die Draft oder via Transfer der Talentzufluss gewahrt.
Weitere 5-stars sind DT Jalen Carter (#4 DT, #18 overall), der mit seiner Masse berits frühe Spielzeit auf 3-4 DE sehen könnte, und der hünenhafte ATH Darnell Washington (#2 ATH, #23 overall), der als TE eingeplant ist und damit einer lange verwaisten Position einen echten Schub geben kann. Doch auf dieser Position ging es immer schon mehr darum, dass das Talent auch mal Bälle bekommt. Hoffen wir mal, dass der neue OC Todd Monken das besser löst als seine beiden Vorgänger. Mit dem prototyposchen Pocket-QB Carson Beck (4 star) gibt es weitere Konkurrenz auf der wichtigsten Position für die Zeit nach Newman.
Ungewöhnlich ist vor allem die Menge an Receiver-Talent: Gleich vier 4-star WRs entschieden sich für die Bulldogs – ein eher seltener Vorgang. Nachdem man schon zwei Receiver gesichert hatte, gelang es Jermaine Burton von LSU loszueisen und dazu noch einen der besten verbliebenen mit Arian Smith zu sichern. Vielleicht ein Indiz dafür, dass die Offense mit Monken und Transfer QB Jamie Newman doch ein wenig mehr geöffnet wird als in den vergangenen Jahren?

Doch Georgia hat nicht nur die beste Klasse, sondern musste auch das größte Drama über sich ergehen lassen, in Person von 5-star RB Zachary Evans (#2 RB, #16 overall). Evans ist ein geradehin klassischer Fall für einen Recruit, der sich nicht recht entscheiden kann und unter Umständen nicht wirklich gut beraten ist. Sein Findungsprozess gleicht einer Soap Opera und würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Evans unterschrieb nach ewigem Hin und Her inklusive mehrerer angekündigter und wieder abgeblasener Termine noch in der Early Signing Period einen LOI für Georgia, entschied sich aber rasch wieder um und wurde von den Bulldogs aus dieser Verpflichtung wieder entlassen. Eigentlich darf man nur einen LOI pro Jahr unterschreiben, so dass Evans theoretisch 2020 pausieren müsste. Doch hier ist abzuwarten, welche Regularien wirklich greifen. Aufgrund seines Talents sind eine Menge Teams weiterhin interessiert, und Evans hat auch noch einen official visit auf einem Campus seiner Wahl frei. Als Favoriten gelten aktuell Texas A&M, Ole Miss und LSU, doch das kann sich in Tagesabständen ändern. Für Georgia allerdings nicht das größte Problem: Nachdem man sowieso schon mit 4-star RB Kendall Milton (#7 RB) ein zweites Toptalent sichern konnte, legte man mit 4-star RB Daijun Edwards (#21 RB) noch einmal zur Sicherheit nach.

Alabama lag lange auf der Spitzenposition, aber der späte Verlust von Mammut-DT McKinnley Jackson (#9 DT, zu Texas A&M) verbunden mit Georgias Gewinn von RB Edwards ließ die Tide knapp auf Platz 2 rutschen. Im Durchschnittsranking gewann Alabama jedoch weiterhin und konnte sich ebenfalls vier 5-stars sichern. Bester Recruit und einer der Spieler, auf die man am gespanntesten sein darf, ist QB Bryce Young (#1 Dual Threat QB, #2 overall). Young hat eine kleine unscheinbare Statur, davon sollte man sich jedoch nicht beirren lassen. Er ist ein herausragender Athlet und hat einen starken Arm und vor allem einen extrem quicken Release. Woher auch immer er diesen Punch bekommt, er ist verdammt beeindruckend. Young kommt vom Highschool-Powerhouse Mater Dei in California und entschied sich – wie so viele – dann letztlich doch gegen USC. In Tuscaloosa dürfte er sofort in einen Dreikampf um den Starterposten mit Mac Jones und Tulia Tagovailoa einsteigen. Hier ausnahmsweise ein paar Highlights von Young, die in manchen Plays fast ein wenig an Johnny Football erinnern – natürlich nur auf dem Feld.

Ansonsten lag der Fokus der Tide dieses Jahr eindeutig auf der Defense – und das zurecht. Zwei Jahre in Folge offenbarten sich gerade gegen Ende der Saison einige Depth-Probleme, zudem kam Alabama ja im Herbst einer ihrer Hauptgewinne des letzten Recruiting Cycles, EDGE Antonio Alfano (nun Colorado) abhanden. Dafür wurde nun ordentlich nachgelegt: Die beiden besten weakside DEs, Will Anderson (#17 overall) und Chris Braswell (#19 overall), konnten ebenso gewonnen werden wie der der #1 ATH Drew Sanders (#22 overall). Alle drei werden in Bamas Defense wohl als EDGE/3-4 OLBs eingeplant. Das ist schon ein hartes Brett. Dazu fanden der athletische 4-star ILB Demuoy Kennedy (#3 ILB), der 3-4 NT-Prospect DT Timothy Smith (#8 DT), S Brian Branch (#3 S) und noch ein OLB mit Quandarrius Robinson (#6 OLB). Dies sind nebenbei bemerkt allesamt Top 65-Prospects! Auch sonst ist die Klasse erstaunlich defensivlastig – was möglicherweise nicht nur ein Indiz für die Depth-Probleme ist, sondern darauf hindeutet, dass Saban nicht jedes Jahr mit solch offensivem Feuerwerk wie in den beiden Saisons mit Tua rechnen kann. Vielleicht ist er dem Rest mal wieder einen Schritt voraus.

Platz 3 geht an Clemson. Die Tigers konnten sich eine ihrer besten Klassen jemals sichern. Man darf weiterhin nicht vergessen, dass Clemson kein traditionelles Powerhouse mit einem großen Namen ist, sondern dass HC Dabo Swinney das alles von Grund auf aufgebaut hat. Die großen Erfolge der Tigers kamen mit Talent aus sehr guten, aber keinen exzellenten Recruiting-Klassen, die Swinney halt unglaublich entwickeln konnte. Sowas spricht sich rum, so dass sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr blue-chip Prospects für Clemson entschieden. Die vorläufige Krönung ist diese 2020er Gruppe mit insgesamt fünf 5-star Prospects, mehr als jedes andere Team. Darunter ist auch der bestgerankte Spieler des gesamten Jahrgangs, DT Bryan Bresee. Bresee ist ein langer und durchaus schon schwerer DT (angegeben mit 6‘5 290), der über eine fantastische Athletik und Quickness verfügt. Bresee spielte Highschool an der Damascus im nicht unbedingt talentreichen Maryland und wurde nicht nur auf DT, sondern auch Edgerusher und RB eingesetzt. Bresee dominierte bei Camps und im All American Bowl, wie man es selten sah mit Quickness, Footwork und Handeinsatz. Ein Beispiel von ganz vielen:

Viel Spaß in den kommenden Jahren, ACC Linemen!
Doch das ist nur der Anfang: Clemson sicherte sich als einziges Team gleich drei Spieler aus den Top 10, neben Bresee noch den #1 strongside DE Myles Murphy (#7 overall) und den #1 Pro Style QB DJ Uiagalelei (#10 overall). Uiagalelei ist von der Statur das komplette Gegenteil von Alabamas QB Young: fast zwei Köpfe größer und 50 Pounds schwerer. Uiagalelei hat einen absoluten Rocket Arm und wird nun erst einmal um den Backup-Posten von Trevor Lawrence kämpfen.
Weitere 5-stars sind der kleine schnelle RB Demarkcus Bowman (#3 RB, #20 overall), der sicherlich damit gerechnet hatte, in der kommenden Saison nicht noch Travis Etienne vor sich zu haben, und der #1 OLB Trenton Simpson (#2 overall). Insgesamt haben Swinney und sein DC Brent Venables das Problem der D-Line und Front-7 (abseits von Isaiah Simmons) erkannt und versucht zu beheben. Neben Bresee fanden noch zwei weitere hohe 4-star (und Top 100) DTs den Weg zu Clemson. Andere besonders bedachte Positionsgruppen waren O-Line (4-star und Top 50 OT Walter Parks und gleich drei 4-star OGs) sowie ILB (zwei 4-stars). Auf den Skillpositionen konnte man es nach den Recruiting-Erfolgen des vergangenen Jahres etwas langsamer angehen lassen. Und aufgepasst, Clemson ist wie kein anderes Team dafür bekannt, neben den Top-Recruits sehr gezielt immer auch einigen eher unbekannten 3-stars Angebote zu unterbreiten. Wer weiß also, ob später nicht doch WR Ajou Ajou, RB Kobe Pryor, Venables nächster Sohnemann S Tyler Venables oder gar der nicht unter den besten 70 OGs aufgeführte Trent Howard überraschen können.

Bemerkenswert ist an Clemson weiterhin die unglaubliche Treue der Recruits. Das dritte Jahr in Folge gab es keinen einzigen Decommit, das heißt, wenn sich ein Recruit für Clemson entschieden hat, dann blieb er auch dabei. Decommitments kommen sehr regelmäßig selbst bei den Top-Programmen vor und häufen sich vor allem, seitdem sich die Recruits immer früher für ein Programm entscheiden. Drei Jahre in Folge alle Recruits bei der Stange zu halten ist fast nicht zu glauben und verrät einiges über die Qualität der persönlichen Beziehungen, die der Staff der Tigers aufbaut. Ich kann Dabo Swinney aus verschiedenen Gründen nicht wirklich ab, aber er macht eine Menge richtig.

Die nächsten Plätze belegen LSU, Ohio State und Texas A&M. LSU hatte lange eine noch bessere Recruiting-Klasse, doch verloren sie einige Spieler, die zunächst committet hatten oder bei denen die Tigers als klare Favoriten galten: u.a. der angesprochene WR Burton zu Georgia, 5-star WR Rakim Jarrett überraschend zu Maryland, 4-star S Malcolm Greene zu Clemson, dazu entschied sich 4-star OT Ty’kiest Crawford, bei dem LSU der Favorit war, erstmal für ein JUCO. Dennoch ist das Talent der Tigers nicht zum Meckern. Top-Recruit ist der monstertalentierte 5-star TE Arik Gilbert (#1 TE, #5 overall), einer der bestgeranktesten TEs der jüngeren Zeit, bei dem Alabama als klarer Favorit galt und keiner so richtig mit LSU rechnete. Der große CB Elias Ricks (#2 CB, #14 overall) dürfte vielleicht sogar als direkter Nachfolger von Kristian Fulton in Frage kommen und mit Derek Stingley möglicherweise eines der aufregendsten jungen CB-Duos des Landes stellen. Die Abgänge auf den Skill-Positins wurden weiterhin aufgefangen mit 5-star WR Kayshoun Boutte (#2 WR, #24 overall) und 4-star WR Koy Moore jeweils vor Ort aus Louisiana und dem spannenden all-around Back Kevontre Bradford (#13 RB), den sich Coach O noch schnell nach dem Abgang von Edwards-Helaire organisierte. Spannend wird ferner sein, ob die beiden neuen QBs Max Johnson (#10 Pro Style QB) und TJ Finley (#19 Pro Style QB) bereits in den Kampf um die Nachfolge von Joe Burrow eingreifen können.

Ohio State hatte insbesondere Erfolg, sich ein paar mehr Receiver für ihre bekanntlich große Rotation zu angeln. WR Coach Brian Hartline hat da ganze Arbeit geleistet: Toptalent Julian Fleming (#1 WR, #3 overall), ein zweiter 5-star mit Jaxon Smith-Njigba (#5 WR, #28 overall), dazu weitere Top 100-Talente mit Gee Scott (#10 WR) und Mookie Cooper (#16 WR). Cooper ist ein kleiner Slot Guy, die anderen drei sollten für alle WR-Positionen einsetzbar sein. Fleming bringt einen fantastischen Mix aus Größe, Speed und contested Catch Ability mit und könnte bereits in der ersten Saison überraschen. Durch die Abgänge von KJ Hill, Binjimen Victor und Austin Mack werden sich wohl Gelegenheiten für mehr als einen Freshman ergeben. 5-star OT Paris Johnson (#1 OT) kann sich ebenfalls Hoffnungen auf frühe Spielzeit ausrechnen (obwohl das für OL erfahrungsgemäß am schwersten ist), der hohe 4-star QB C.J. Stroud (#2 Pro Style QB) ist ein potenzielles Versprechen für die Zeit nach Justin Fields.

Es besteht kein Zweifel, dass Jimbo Fisher recruiten kann. Während die anderen Teams an der Spitze in den letzten Jahren zu den erfolgreichsten gehören, lässt sich das für Texas A&M nicht ohne Weiteres sagen. Nach der #4 Klasse 2019 legte Fisher nun mit #6 nochmal ordentlich Talent nach und verwies das große Texas auf den zweiten Platz im Staat. Dabei ist die Klasse der Aggies gar nicht so Texas-zentriert wie üblich. Immerhin konnte man mit 5-star S Jaylon Jones (#1 S, #21 overall) den am zweitbesten gerankten Spieler des Staates von sich überzeugen, und beim #1 Talent aus Texas, dem angesprochenen mega-unentschlossenen RB Zachary Evans, hat man ja noch Chancen. Die Verluste auf WR fängt man exzellent mit dem großen 5-star Target Demond Demas (#3 WR, #25 overall) auf. 4-star QB Haynes King (#5 Dual Threat QB) ist eventuell ein Kandidat für die Nachfolge von Kellen Mond in 2021. Die entscheidende Frage lautet hier allerdings langsam: Wann kriegt Fishers dieses ganze enorme Talent aufs Feld?

Auch auf den weiteren Plätzen ist die SEC prominent vertreten: #7 Auburn, #8 Florida (ein 5-star: DT Gervon Dexter), #10 Tennessee. Sieben der ersten zehn nach den Rankings ist natürlich schon eine Ansage und deutet darauf hin, dass die Conference weiter qualitativ das Nonplusultra bleiben wird. Dazwischen konnte sich nur Texas auf Rang #9 (ein 5-star: #1 RB Bijan Robinson) einfinden.

Tennessee ist sicherlich die größte Überraschung unter den Top 20. HC Jeremy Pruitt, zu Beginn der Saison noch auf dem heißen Stuhl, hat da offenbar die richtigen Schalter umgelegt, und das ja nicht nur im Recruiting: Top-Prospect OG Trey Smith entschied sich zu bleiben, Georgias iOL Cade Mays transferierte nach Knoxville und nun bringt Pruitt auch noch eine Top 10-Klasse mit gleich 13 4-star Prospects an den Start – übrigens mit Mays Bruder 4-star C Cooper Mays. Dabei gelangen den Vols noch späte Coups am endgültigen Signing Day mit dem Flip vom großen 4-star WR Malachi Wideman (dual sport Talent, ebenfalls ein 4-star Basketball Recruit) weg von Florida State und der Entscheidung des hohen 3-star DE Damarcus Beckwith gegen Florida. Neben Wideman hatten die Vols bereits zwei weitere spannende 4-star WR mit Jalin Hyatt und Jimmy Calloway. Neben der starken O-Line also weitere Unterstützung für den QB, wer auch immer das sein wird. Auf der Position gibts übrigens eine Belebung der Konkurrenz in Person vom hochaufgeschossenen 4-star QB Harrison Bailey (#3 Pro Style QB). Dazu sorgen gleich drei 4-star ILBs für genügend Auswahl für die Nachfolge von Daniel Bituli. So oder so: Auf die Vols sollte man in der näheren Zukunft wohl mal ein Auge werfen.

Erwähnenswert ist auf jeden Fall noch die Klasse von Oregon: insgesamt die #12, aber mit gleich drei 5-stars (außerhalb der Top 5-Klassen hat sonst kein Team mehr als einen). Interessanterweise sind darunter die beiden am besten gerankten ILBs des Landes: Justin Flowe (#1 ILB, #6 overall) ist eher der athletische Typ, Noah Sewell (#2 ILB, #13 overall) ist eher der physische Thumper, der schon jetzt mit über 260 Pounds gelistet ist. Sewell ist übrigens der Bruder von Mega-LT Penei Sewell. Flowe war der Top-Recruit als California – das zweite Jahr in Folge, das die Ducks hiermit erfolgreich waren. Oregon befand sich insgesamt in vielen engen Recruiting Battles, verlor einige, aber sicherte sich eben mehr Toptalent als andere Programme dieser Region. Dazu gehört insbesondere 5-star CB Dontae Manning (#3 CB, #30 overall), der das Backfield nach der Rückkehr der beiden starting CBs Lenoir und Graham noch stärker machen sollte. Die Defense der Ducks sollte auch in der kommenden Saison eine echte Augenweide sein. Mit #5 Pro Style QB Jay Butterfield gibt es einen Konkurrenten für Tyler Shough als Nachfolger von Justin Herbert. Zudem gelang den Ducks noch der Coup, den lange bei Alabama commiteten monströsen 340 Pound 4-star DT Jayson Jones zu sich zu locken. Ein Kandidat für die Nachfolge von Jordon Scott in der 2021er Saison.

Vier weitere Teams konnten sich einen 5-star Recruit angeln: Washington auf Rang #16 (#29 overall WDE Sav’ell Smalls aus dem eigenen Staat), Notre Dame auf Rang #17 (#31 overall TE Michael Mayer), South Carolina auf Rang #18 (#8 overall DT Jordan Burch direkt aus Columbia) und wie bereits erwähnt sensationell Maryland auf Rang #31 (#27 WR Rakim Jarrett aus Washington, DC). South Carolina musste bei DT/DE Burch allerdings ordentlich zittern. Der war zwar committet, unterschrieb jedoch seinen LOI nicht in der frühen Signing Period. LSU bemühte sich in den vergangenen Wochen gewaltig, doch letztlich blieb er bei seiner ersten Entscheidung.

Den Trend der letzten Saison im Recruiting bestätigte Stanford mit einem starken Rang #20. Schließlich sind beim Cardinal ein paar höhere Hürden aufgrund der akademischen Anforderungen zu meistern, was eine Menge Recruits von vorneherein ausschließt. Größte Story hier sicherlich das Commitment von RB E.J. Smith (#2 All Purpose Back), dem Sohn von Hall of Fame RB Emmitt Smith. Vater hätte es sicherlich gern gesehen, wenn der Sohnemann wie er selbst bei den Gators gespielt hätte, aber reagierte auf die Entscheidung sehr souverän: He chose his own legacy. So soll es sein.

Weitere überraschend gute Klassen hatten Kentucky (#23), Arizona State (#24) und insbesondere Georgia Tech (#26) im zweiten Jahr unter HC Geoff Collins. Maryland ist (#31) hier erneut zu nennen. Arizona State holte sich nette Unterstützung für seinen vielversprechenden jungen QB Jayden Daniels mit den beiden 4-star WRs Chad Johnson (Sohn von Chad Johnson alias Ocho Cinco) und Johnny Wilson, den man überraschend Oregon noch entreißen konnte.

Von den Teams mit neuem HC schnitt Arkansas (#30) erstaunlich stark ab. HC Sam Pittman gelang auch der Coup des zweiten National Signing Days, als er den besten noch unentschlossenen QB, 4-star Malik Hornsby (#8 Dual Threat QB) von seinem Programm überzeugen konnte. Die beiden anderen SEC West Teams mit den spektakuläreren HC-Verpflichtungen, Mississippi State unter Mike Leach (#27) und Ole Miss unter Lane Kiffin (#40), schnitten etwas besser bzw. etwas schlechter ab, wobei man bei den Rebels die geringe Größe der Klasse mit nur 17 Commits berücksichtigen muss. Bester Mid-Major ist Cincinnati auf Rang #40 mit immerhin drei 4-stars, doch muss man abwarten, ob Luke Fickell nicht doch noch bei Michigan State als Nachfolger des überraschend zurückgetretenen Mark Dantonio landet.

Weniger gut schnitt die erste Klasse des neuen Missouri HC Eli Drinkwitz ab (#50). Von Arizona mit HC Kevin Sumlin (#62) und Virginia Tech mit HC Justin Fuente (#71) hätte man wohl mehr erwartet. Größte Enttäuschung bleibt aber zweifelsohne die Klasse von USC (#55), wenngleich das Ranking durch die geringe Menge an Commits (nur 13) verzerrt ist. Doch sollte den Trojans dieses Ranking Anlass zur Sorge geben. Clay Helton mag als HC umstritten sein, er ist jedoch zweifelsohne ein exzellenter Recruiter, was er in den vergangenen Jahren eindeutig unter Beweis stellen konnte. Nur welcher Recruit kommt zu einem Programm, bei dem der Stuhl des HCs derart wackelt? Immerhin 22 der Top 300 Prospects kamen aus California, doch nur WR Gary Bryant entschied sich für die Trojans. Das ist ein deutliches Alarmzeichen. Der neue AD Mike Bohn hätte Helton entweder feuern sollen oder ihm langfristig das Vertrauen aussprechen müssen. So ist keinem gedient.

Die schwächsten Recruiting-Klassen der FBS haben übrigens meine Buffalo Bulls und die Mexico State Aggies auf Rang #131 und #138 – und das, obwohl die FBS ja lediglich 130 Teams umfasst. Vor den Bulls haben sich noch Ivy League-Team Princeton und Eastern Washington platziert. Man muss allerdings dazu anmerken, dass in diesen unteren Regionen die Rankings noch mehr Crapshoot sind als sowieso. Bei den Bulls haben sich die vermeintlich höchsten Recruits regelmäßig nicht so wirklich ausgezahlt, während der eine oder andere 2-star überrascht hat.

Big Ten News:

Wie üblich ein genauerer Blick auf die Big Ten und meine Nebraska Cornhuskers.

Insgesamt sind die Erfolge der Big Ten im Recruiting als zufriedenstellend einzuordnen. Zwar gelang nur Ohio State der Sprung in die Top 10, aber mit Michigan (#14), Penn State (#15) und Nebraska (#20) finden sich drei weitere Teams in den Top 20 sowie mit Wisconsin (#25), Maryland (#31), Purdue (#33), Iowa (#34) und Minnesota (#37) fünf weitere in den Top 40. Schwach dagegen die beiden Überraschungsteams der vergangenen Saison, Indiana (#58) und insbesondere Illinois (#87), das sich hinter einer Menge Mid-Majors einreihen musste.

Die Klasse von Michigan ist gut, wenngleich die ganz großen Ausreißer nach oben fehlen. Der explosive 4-star WR A.J. Henning könnte nach den Abgängen von Peoples-Jones und Black hinter Collins und Bell frühe Spielzeit sehen. 4-star RB Blake Corum (#12 RB) gibt HC Jim Harbaugh eine kleinere, flinkere Change of Pace-Option hinter den physischen RBs Haskins und Charbonnet. Und der miniaturige 4-star CB Andre Seldon (#10 CB) ist ein klassischer Man-CB, wie sie DC Don Brown für seine Defense präferiert.

Penn State gefällt mir fast noch ein wenig besser. Die Lions sicherten sich den sehr hohen 4-star OLB Curtis Jacobs (#3 OLB), der mit seiner Athletik sich Hoffnungen machen darf, um den verwaisten OLB-Posten von Cam Brown zu konkurrieren. Der riesige TE Theo Johnson (#3 TE) ist ein sehr spannender Vorgriff auf die Zeit nach Pat Freiermuth. Nach den Abgängen auf Receiver (u.a. K.J. Hamler und Justin Shorter) legte HC James Franklin mit gleich drei 4-star WRs nach (unter anderem KeAndre Lambert, dem Neffen von Kam Chancellor).

Mit Nebraska bin ich grundsätzlich zufrieden. Klar war, dass der Staff um HC Scott Frost einige Positionen verstärkt adressieren musste und einige Soforthilfe benötigte. Daher bediente man sich verstärkt bei den JUCOs. Die sich in der Saison als monströs offenbarte Baustelle WR wurde zügig und gut geschlossen, das war ehrlich gesagt bei der Fokussierung des Staffs auf diese Position zu erwarten. 4-star WR Zavier Betts ist einer der besseren Skill Player der letzten Jahre aus dem Staate Nebraska. Hätte mich auch gefreut, wenn der andere in-state WR Xavier Watts sich für die Huskers entschiedne hätte, aber er wählte Notre Dame. Dafür kam etwas überraschend der kleine speedy 4-star Marcus Fleming aus Florida hoch, dazu konnte man sich die Dienste des großen physischen #1 JUCO WR Omar Manning sichern. Der #1 Prep School Recruit WR Alante Brown kommt noch dazu.
Mit Abstand bester Recruit ist der hohe 4-star OT Turner Corcoran, der zumindest auf OG eine sofortige Verstärkung sein sollte (was er beim All America Bowl andeutete). Leider kam sonst nicht viel in Sachen OL nach. 4-star S Henry Gray erwies sich nach seiner Entscheidung für Nebraska als exzellenter Peer-Recruiter, könnte aber auch schnell eine Rolle spielen. Etwas überraschend entschied sich mit Jaiden Francois noch ein zweiter 4-star S aus Florida spät für die Huskers.
Sorgen bereitet mir weiterhin die Front der Defense. Hier holte sich Frost ebenfalls zwei JUCOs (DT Jordon Riley, OLB Eteva Mauga-Clements), doch hätte ich gern mehr junges Toptalent gesehen. 4-star OLB Keyshawn Greene (#8 OLB) ist ein fantastischer Athlet und eines der größten Talente, das sich die Huskers dieses Jahr sichern konnten, bei seinem Körperbau befürchte ich jedoch, dass er ein wenig mehr Anlaufzeit benötigen könnte. Interessant ist noch dual-threat QB Logan Smothers, den die Huskers früh aus Alabama sichern konnten und der danach eine starke Senior Season hinlegte und mit einem vierten Stern bedacht wurde.

Bei Wisconsin ist klar, wohin die Reise geht: Zwei weitere 4-star OTs aus dem eigenen Staat, dazu 4-star RB Jalen Berger. Pound the rock. Purdue konnte nicht an die riesigen Erfolge des letzten Jahres anknüpfen, stellt aber für seine Verhältnisse erneut eine bockstarke Klasse. Die Offense von HC Jeff Brohm verspricht noch spannender zu werden, wenn man sich die Top-Recruits dieses Jahres betrachtet: Receiving TE Maliq Carr als potenzieller Ersatz für Brycen Hopkins, Pro Style QB Michael Alaimo als Kandidat für 2021, der bullige RB Tirek Murphy als dringende Unterstützung bereits für diese Saison und WR Abdur-Rahmaan Yaseen als mögliche Unterstützung für Rondale Moore und David Bell. Allesamt 4-stars. Hoffentlich kann die Defense da mithalten. Iowa landet dagegen mit einem einzigen 4-star (DT Logan Jones) in den Top 35, aber jeder Menge hohe 3-stars deuten auf eine sehr ausgeglichene Klasse hin.

 

Soweit der grobe Überblick. Zuletzt aber noch einmal mein Hinweis: All die Sterne und all das Talent sagt nicht viel aus. Man darf nie vergessen, wie jung diese Spieler sind. Das wichtigste ist immer noch die Entwicklung des Talents. Man sieht das jedes Jahr am besten bei den Mid-Majors, die am Ende in den Top 25 oder sogar in einem New Year’s Six Bowl landen, obwohl sie kaum einmal die Top 50 kratzen. Auch dieses Jahr befinden sich nur zwei kleinere Programme unter den Top 65 Recruiting-Klassen (das angesprochene Cincinnati an #40 und Boise State an #65). Talent allein reicht in den seltensten Fällen.

Wer noch Fragen zu einzelnen Spielern oder Klassen hat, kann diese natürlich gerne in der Kommentarspalte hinterlassen.

Ein Gedanke zu „National Signing Day 2020

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