Das große Draft Recap 2023 (II)

Kommen wir nun endlich zum langen zweiten Teil des Beitrags, der maßgeblich von euch bzw. euren Fragen strukturiert wird. Einige inhaltlich passende habe ich in den entsprechenden Abschnitten des ersten Teils der ausführlichen Rückschau ja bereits behandelt, nun folgt der große Rest. Ich habe versucht sie thematisch zu ordnen, damit der Lesefluss möglichst gewahrt wird. Das ist mir sicherlich nicht in jedem einzelnen Moment gelungen, dafür war die Varianz der Gegenstände und Präferenzen bei euch einfach zu groß – was ja ein gutes Zeichen ist.

Los gehts nun mit allgemeinen Fragen, bevor es um spezifische Teams und Draftpicks gehen wird (geordnet nach AFC und NFC von East über North und South nach West). Den Abschluss machen Fragen zu bestimmten Spielern ohne direkten Teambezug sowie erste Ausblicke auf die kommende NFL-Saison.

Viel Spaß beim Stöbern!

Draft allgemein & Draftstrategien

b0red: Ist die diesjährige Draft class schwächer als die Jahre zuvor?

Man sollte immer ein wenig aufpassen, nicht in einen zu großen Defätismus zu verfallen und jede Draft im Vergleich zu vorigen Jahren schlechter zu beurteilen, aber diese Ausgabe hatte aus meiner Sicht erstens sehr wenig echte Blue Chip-Prospects zu bieten und zweitens relativ wenig Spieler mit klarem First-Round-Talent.
Ich glaube nicht, dass ich jemals einen so deutlichen #1 Prospect hatte wie dieses Jahr mit DT Jalen Carter. Dahinter klaffte eine riesige Lücke – nicht nur weil Carter so großartig ist und so hervorragend projectet (auf dem Feld wohlgemerkt), sondern weil er letztlich der einzige Monster-Prospect dieser Klasse war. Gleiches gilt für meine Top 10: Da sind am Ende eine Menge Spieler drin gelandet, die in anderen Jahrgängen eher zwischen 10 und 20 angesiedelt gewesen wären.
Ab der zweiten und insbesondere dritten Runde war der Pool dagegen recht gut besetzt, meiner Ansicht nach sogar etwas besser als beispielsweise 2021, aber der Mangel an Top-Talente war meiner Ansicht nach schon ziemlich augenscheinlich. Insofern verwundern eventuell auch die verstärkten Bewegungen in den ersten 20 Picks durch hektische Up- und Downtrades nicht so sehr. Die Teams hatten womöglich noch kleinere 1st round-Boards als ohnehin schon und wollten sich unbedingt ihren Spieler sichern – oder eben future Picks für die nächsten Jahre sammeln.

Bayerniner295: Was ziehst du für dich als „draft prospect valuator“ aus der Draft, sprich was sieht die nfl anders als du? (z. B. haben die niners vor allem an Tag 3 sehr viel Wert auf Team captians und Charakter guys wert gelegt wurde. Funktioniert an Tag 3 die letzten Jahre ganz gut). Würde so ein Beispiel in einer zukünftigen Bewertung mit einbeziehen oder tust du das bereits? Erwähnen   tust du es auf jeden Fall bei den Sofa scouts und auch bei DST.

Das ist eine gute und zugleich schwierig zu beantwortende Frage. Ich glaube, dass die NFL notgedrungen Dinge anders sieht und anders sehen muss. Nicht nur haben die Scouts und Front Offices hundertfach mehr Ahnung als ich (und andere, die das hobbymäßig betreiben), sondern sie haben darüber hinaus Zugang zu wesentlich mehr wichtigen Informationen abseits der Tapes. Das betrifft Practices, Workouts, Film Room-Meetings mit den Prospects und eben auch Interviews bzw. einfach das Erleben des Menschen im und außerhalb des Footballkontextes. So bekommen sie natürlich einen weit genaueren Eindruck von Spielverständnis und Spielintelligenz, Arbeitseinstellung/work ethic, Leadership sowie vom Charakter. Darüber bekomme ich zwar hier und da etwas über die Jahre im College Football mit, aber halt nur sporadisch, lückenhaft und immer aus zweiter oder dritter Hand.

Da ich dazu keine vergleichbaren Informationen habe, lasse ich Charakter (genau wie Verletzungen – ich bin kein Arzt!) aus meinen Grades draußen. Daher würde mein Board durchaus substanziell anders aussehen, wenn ich bei einem Team angestellt sein würde: Ich könnte auf mehr Informationen zurückgreifen, zudem wäre es mir möglich, die Prospects als unterschiedlich gute Scheme Fits zu bewerten und die Rankings entsprechend anzupassen. Ich möchte aber nicht bestreiten, dass Informationen zu besonders herausragenden Charakteren mit Accountability und Leadership mehr oder weniger unbewusst in meine Rankings einsickern. Bei den Podcasts erwähne ich es bei besonders augenscheinlichen Fällen (wie Will Anderson oder Nolan Smith) nebenbei, weil ich durch die eindeutige College-Perspektive glaube, für viele NFL-Fans da einen Mehrwert bieten zu können.

Auch ansonsten bewerten NFL-Teams natürlich eine Menge Dinge anders als ich, wobei man da sicherlich nicht alle Teams, Front Offices und General Manager über einen Kamm scheren sollte. Ich verstehe beispielsweise weiterhin nicht, warum – ganz unabhängig von dieser schwächeren Klasse – Safeties weiterhin so gnadenlos underrated sind. Ich würde mir aber vor allem wünschen, bei Talenten mit diverserem Profil (ich nehme das böse Wort „Tweener“ mal nicht in den Mund) etwas risikofreudiger und kreativer zu agieren, gerade auf der defensiven Seite. Ich glaube da gäbe es noch einiges Potenzial für spezifische und situative Verbesserungen, ohne dass man dafür zwangsläufig sein gesamtes Scheme über den Haufen werfen muss. Ansonsten bleiben Vergleiche zwischen NFL-Teams und Freizeitscouts aus den oben genannten Gründen schwer. Für Interessierte verweise ich erneut auf meine ausführliche Auseinandersetzung über die Unwägbarkeiten und Lücken unserer Evaluationen – und bezüglich der aufgeworfenen Frage insbesondere auf den Abschnitt Was wir nicht wissen.

homes: Welche Erkenntnisse ziehst du aus der diesjährigen Draft bzgl. Gewichtung von Positionen und Spielertypen für NFL-Teams?

Ein paar Punkte habe ich in der vorigen Frage und im ersten Teil des Beitrags bereits aufgegriffen. Noch einmal zusammengefasst ist für mich besonders auffällig:

  • Der nochmals verstärkte Fokus auf Athletik und Potenzial, leicht zu Ungunsten vergangener Produktion (s. Teil I).
  • Die weiterhin bestehende Abneigung gegen jede Sorte von positionstechnischen Tweenern insbesondere in der Defense. Spieler werden vorrangig auf ihre Eignung für fixe Positionen analysiert und gerankt.
  • Die Attraktivität von Receivern selbst in einer schwächeren Draftklasse. Hier zeigt sich der Fokus aufs Passspiel am deutlichsten, im Gegensatz zu etwa QBs und auch OTs. Selbst wenn die Receiver nicht mit Beginn der Draft massenhaft von Board gehen, startet irgendwann in der zweiten oder (dieses Mal eher) dritten Runde ein beträchtlicher Run. Diese Position dürfte in den allermeisten künftigen Draftklassen eine Tiefe aufweisen, die etwa den OTs abgeht. Hier ist Exzellenz umso wichtiger, da der Quarterback als mit Abstand wichtigste Position nicht nur als Spieler der Offense, sondern ganz direkt physisch und gesundheitlich von deiner Klasse profitiert. Receiver gehen dagegen (anscheinend) immer.
  • Innerhalb der Receiver die weiterhin hohe Skepsis bezüglich großen contested Catch-Receivern, solange sie nicht eine gewisse athletische Baseline plus Fluidität aufweisen. Schnelle Separation bleibt enorm bedeutsam.
  • Die stiefmütterliche Behandlung der Safeties. Die NFL schätzt die Relevanz noch geringer ein als Draftanalysten und auch Analytics-Verfechter. Ich glaube, dass sich die Front Offices da etwas öffnen sollten, da gerade variable Safeties so viel Gewinn für eine Defense bringen können (was im College insbesondere von den 3-3-5 Big Nickel-Defenses illustriert wird), aber offensichtlich liegen ihre Präferenzen da eindeutig woanders.

Lions Pride Germany: Wird positional value überbewertet? Ist doch so, oder? Ja, oder? Frage für einen Freund.

Haha, ich sehe, woher die Frage des „Freundes“ kommt. Ich vermute mal, dass du eher auf die Bewertung der Draft als auf die Draft selbst anspielst? Ich hatte das ja im ersten Teil bereits ausführlich behandelt: Ich glaube, dass das Positional Value in einigen Kreisen mittlerweile überbewertet wird – und zwar dann, wenn es gar nicht mehr um das Talent des Spielers, die Eignung für ein Scheme und die spezifischen Vorstellungen von Coaches geht, sondern nur noch darum, welche Position er spielt. Das ist mir als „Analyse“ viel zu dünn.
In den Front Offices selbst sieht es mitunter ein wenig anders aus. Man könnte in dem einen oder anderen Fall das Argument machen, dass womöglich zu wenig auf Positional Value geachtet wird. Nur ist mir ein richtig guter Footballspieler im Zweifel auch auf einer vermeintlich weniger relevanten Position (wobei das nach Scheme gewaltig differieren kann, was gerne mal unterschätzt wird) lieber als ein mittelmäßiger Footballspieler auf einer vermeintlichen Premium-Position. Wie gesagt: Die wichtigste Evaluierung besteht nicht in Helm oder Position, sondern in Skills, Talent und Passung.
Unabhängig davon denke ich, dass die Lions nicht das Beste aus ihrer günstigen Situation mit den beiden 1st round-Picks herausgeholt haben. Da wäre eine Ecke mehr drin gewesen – auch wenn ich erwarte, dass die Spieler (schnellen) Impact haben werden.

Jonas: Kannst du erklären, wieso CBs seit (gefühlt) Jahren so weit abfallen? War ja auch dieses Jahr trotz des predraft hypes sehr spät, dass die ersten vom Board gingen…

Ich hatte in den vergangenen Jahren eher das Gefühl, dass die Position endlich einmal mehr Gewicht erhalten hat. 2022 hatten wir mit Sauce Gardner und Derek Stingley zum ersten Mal überhaupt zwei Cornerbacks innerhalb der ersten vier Picks. 2021 gingen mit Jaycee Horn und Patrick Surtain zwei in den Top 10 und damit – durchaus umstritten gerade bei den beiden Teams mit QB Need (Panthers und Broncos) – vor Justin Fields. Im Jahr davor wurde Jeff Okudah als einer von zuvor nur drei CBs in den letzten drei Jahrzehnten in den Top 3 gepickt. Ich würde daher eher sagen, dass die Position in den letzten Jahren einen Aufschwung wie noch nie feiern konnte.
Und auch dieses Jahr ging der erste Corner recht früh mit Devon Witherspoon an #5. Ich bin bezüglich Mock Drafts nicht ganz so gut informiert, hatte aber nicht das Gefühl, dass in den ersten vier Picks besonders oft ein CB gesehen wurde. Bei den Seahawks an #5 war ich ebenfalls eher überrascht und rechnete eher mit Jalen Carter oder einem der Passrusher. Was allerdings stimmt: Christian Gonzalez ist meiner Ansicht nach viel zu tief gefallen. Er war für mich der letzte – ansatzweise – Blue Chip-Prospect, aber das haben die betreffenden Teams zwischen #5 und #16 wohl ein wenig anders gesehen. Die CBs des nächsten Tiers gingen in etwa da, wo sie erwartet wurden. Ich hatte Deonte Banks zwar eine Ecke höher eingeschätzt, doch den sahen die meisten Experten eher in den 20ern gehen.

Ich schätze, dass die Position in den nächsten Jahren weiter an Relevanz gewinnen wird (und frage mich in dem Zusammenhang erneut, warum davon nicht wenigstens ein bisschen auf die Safeties abstrahlt).

Mikko: Thema Kicker & Punter: Idee warum manche Teams so früh investieren? Ab wann macht‘s Sinn, oder lieber gar nicht?

Ich habe da eine sehr klare Meinung zu, die sich seit einigen Jahren vertrete (hatte dazu im Draft Recap 2018 mal ein paar Zeilen verfasst). Kicker würde ich grundsätzlich nicht draften, da ihr Karriereweg schlicht kaum einzuschätzen ist. Ich habe fast den Eindruck, dass bei dieser Position, bei der es so sehr auf die Psyche ankommt wie wohl bei keiner anderen, ein hoher Draftpick oft eine Bürde darstellt, die sich negativ auf die Leistungen auswirkt. Einige der besten College-Kicker kamen damit schlicht nicht klar (Roberto Aguayo, Alex Henery etc. pp.). Hier würde ich eher in den UDFAs schauen, aber wenn jemand jetzt einen Siebtrundenpick investiert, werde ich das sicher nicht beanstanden. Nur habe ich schlicht kein Verständnis für das, was die 49ers veranstaltet haben, so gut Jake Moody im College auch war. Ähnliches gilt für die Patriots mit ihrem 4th round-Kicker Chad Ryland.

Punter würde ich dagegen bedenkenlos in den letzten Runden draften, da sich ihre Leistung am College (zumindest solange sie NFL-Style Punter sind) recht gut auf die Pros übertragen lässt. Hol dir eines der stärksten Beine und du bist in der Regel für die nächsten Jahre ganz gut ausgestattet. Die Kraft im Bein verlieren Punter durch den Druck eines Draftpicks in der Regel nicht.

Also: Don’t draft kickers! Draft punters!

Daniel von Savigny: Wie entscheiden die Teams ob sie einen Spieler draften (z.B. 7. Runde) oder dann lieber undrafted holen?

Das differiert von Team zu Team, da gibt es unterschiedliche Entscheidungsfindungen. Einige vertrauen hier weiterhin ihrem Board und picken die höchsten verfügbaren Spieler – bzw. eben welche, die überraschend gefallen sind und die man mal in Ruhe austesten will. Das Risiko ist halt äußerst gering. Viele Teams wählen aber auch die Strategie, sich diejenigen Spieler mit den letzten Picks zu sichern, die sie nicht von sich als UDFA überzeugen konnten. Bereits ab Mitte des dritten Tages glühen die Telefonleitungen und die Teams fragen bei noch nicht gedrafteten Spielern an, ob sie nicht vielleicht als UDFA Interesse hätten, zum Team zu stoßen. Dabei führen die Front Offices unterschiedliche Argumente ins Feld (höhere Bezahlung in Signing Bonus oder garantiertem Grundgehalt, Verweis darauf, dass man die entsprechende Position noch gar nicht gedraftet hat oder dass die Position im Roster keine besondere Tiefe aufweist o.ä.). Die Spieler geben in der Regel bereits während der Draft Tendenzen ab, daher werden viele UDFA-Signings sofort nach dem letzten Pick bekanntgegeben.

Wenn ein Team merkt, dass ein Wunschkandidat womöglich zu einem anderen Team tendiert, kann es natürlich einen der verfügbaren Picks investieren, um dem Spieler die Entscheidung aus der Hand zu nehmen. Das muss dann eben nicht unbedingt der höchste Prospect auf dem Board sein, sondern schlicht derjenige, der sich weigerte, Teil der UDFA-Klasse zu werden.
Ein gutes Beispiel dafür ist der Kampf um Mississippi State QB Tommy Stevens Ende der 2020er Draft. Die New Orleans Saints hatten Interesse an dem athletischen wie kräftigen Stevens als eine Art Backup für Taysom Hill, doch das Werben war erfolglos, da Stevens sich bereits den Carolina Panthers zugesagt hatte. Daraufhin investierten die Saints einen künftigen Pick und tradeten in das Ende der 7th round hinein, um sich Stevens auf regulärem Wege zu sichern. Der Erfolg des gesamten Moves fiel allerdings eher bescheiden aus: Stevens wurde nach dem Trainings Camp gecuttet – und prompt von den Panthers verpflichtet. Mittlerweile spielt er in der CFL.

Kozany: Es wundert doch nicht wirklich, dass zB Teams wie die Browns gute Draft-Grades bekommen, weil sie Picks nehmen, die fast ausschließlich aus Analytics Boards bestehen, oder? Armlänge, irgendwelche % Pressures… bis ins kleinste Detail, dabei kommen sogenannte Steals heraus… aber am Ende gehört doch soviel mehr dazu. Erinnert mich zB an Mohamed Zidan, den Bremen für damals viel Geld holte, der dann im Training eben nicht fokussiert auftrat… sowas darf IMO niemals auftreten, dass muss ich als Verein wissen, gerade wenn ich soviel Geld reinstecken. Daher die eigentliche Frage… sind die vielen Boards nicht oft zu eindimensional und fast schon zu „technisch“?

Glaube ich ehrlich gesagt nicht. Ich weiß auch nicht, ob ausgerechnet die Draft der Cleveland Browns nun einen besonderen Fokus auf Analytics gelegt hat (zumindest nicht nach dem, was in den Medien oft als Analytics verkauft wird). Dazu wurde das Positional Value (Ika als NT ohne große Passrush-Upside; McGuire als eher schwerer Power-EDGE mit wenig schneller Pressure; zwei interior Liner; nur ein WR und CB, der WR zudem mit athletischen Limitationen) womöglich nicht genügend beachtet, aber das vermag ich letztlich nicht zu beurteilen. Wenn man den Begriff weitet, gehen die Teams natürlich allesamt – und das schon immer – analytisch vor. Sie entwerfen Boards für ihre spezifischen Vorstellungen und Schemes, definieren verschiedenste Threshholds für Positionen und Prospects, die nicht über- bzw. unterboten werden sollten. Die Browns sind beispielsweise zudem seit Jahren in den früheren Runden relativ fixiert aufs Alter – was nicht heißt, dass im Einzelfall nicht auch mal ein älterer Spieler gepickt werden kann.

Ich vermag dein Zidan-Beispiel nicht recht einzuordnen, aber im Normalfall werden die Spieler schon auch abseits der Daten, die sie auf dem Platz und bei Combine und Pro Days produziert haben, ziemlich genau be- und ausgeleuchtet. Teams versuchen ja gerade, etwaige Motivationsprobleme zu identifizieren, um genau solchen Fehlverpflichtungen vorzubeugen. Das kann nicht in jedem Einzelfall gelingen, da zum Teil extrem schwer vorherzusagen ist, wie sich ein Spieler verhalten wird, wenn seine finanzielle Zukunft vorerst gesichert erscheint: Wird er weiter Vollgas geben oder doch 5-10% weniger Engagement an den Tag legen? Diese kleinen Differenzen können einen gewaltigen Unterschied auf dem Platz bedeuten, dazu ist die Liga talentmäßig zu eng beisammen.

Mein Problem besteht in diesem Zusammenhang oft eher aus dem Inhalt und der Vorbringung der Fragen, die zum Teil extrem unempathisch, sozial fragwürdig und diskriminierend sein können und (auch dadurch) gelegentlich weit am eigentlichen Ziel vorbeiführen – von den Folgen für den einzelnen Prospect mal ganz abgesehen.

Teams & ihre Draftpicks

AFC:

JZ: Patriots, 1.-3. Runde: Waren die Picks schlicht einfach der beste Value oder hat man es verpasst, in der Offense Playmaker zu draften?

Wenngleich ich mit dem Value-Begriff ein wenig vorsichtiger bin als andere, lässt sich sicherlich festhalten, dass sich Bill Belichick in den letzten Jahren jetzt nicht gerade als der größte Value-Jäger unter der Sonne hervorgetan hat, sondern in der Regel sehr individuelle – man könnte auch sagen: eigenwillige – Boards erstellt und diese ziemlich konsequent befolgt.

Das gilt allerdings definitiv nicht für CB Christian Gonzalez an #17, der für mich einer der krassesten Value-Picks der gesamten Draft ist. Ein großer und schneller Corner mit derart fluiden – ich nannte es im Podcast ölige – Hüften besitzt, müsste allein aufgrund seines enormen Potenzials viel früher gehen. Man könnte den Patriots fast vorwerfen, dass sie nicht bereits an #14 zugegriffen haben, um auf Nummer sicher zu gehen, aber der Downtrade veredelt den Pick noch einmal zusätzlich. Fast ein untypischer Patriots-Pick.

Am zweiten Tag hätte man sicherlich auch etwas für die Offense tun können. Ich war bei DL Keion White nicht ganz so hoch wie der Konsens (der ihn ungefähr da erwartet hat, wo die Patriots zugegriffen haben), aber ich verstehe, was die Patriots in ihm sehen und mit ihm anfangen wollen. Auf seine Weise ein klassischer Patriots D-Liner, der nicht auf eine Position fixiert ist. Das gilt noch einmal mehr für Marte Mapu, den ich am zweiten Tag nicht erwartet hatte. Die Patriots haben mit Kyle Dugger vor drei Jahren in der zweiten Runde einen nicht ganz unähnlichen Spielertypen gepickt, von daher sehe ich die Idee dahinter (und erneut die variablen Einsatzmöglichkeiten). Hier wäre ich allerdings wirklich auf eine andere Position und einen anderen Spieler gegangen, doch ohne einen nach Konsens zu früh gepickten DB am zweiten Tag wäre es irgendwie auch ungewohnt bei einer Patriots-Draft.

mr_lenn: Was kannst du zu den letzten 3 Picks der Patriots sagen? Also Demario Douglas, Ameer Speed und Isaiah Bolden. Irgendein Rohdiamant dabei?

Für mich eindeutig Demario Douglas, den ich vor der Draft in meinem Sleeper-Beitrag angepriesen habe. Douglas ist so ein wenig die late Round-Version von den kleinen Irrwischen wie Zay Flowers oder Tank Dell (wenngleich die jeweils nicht der gleiche Spielertyp sind). Verschafft sich Separation nicht nur mit Speed und Explosivität, sondern mit Footwork und netten Cuts (was sich oftmals gut auf die NFL transferieren lässt). Gefährlich mit dem Ball in der Hand, zudem keiner, der trotz seiner kleinen Statur Kontakt scheut. Könnte überraschen. Ameer Speed ist ein klassischer late pund-Upside Pick: Bringt körperlich und athletisch alle Voraussetzungen mit (krasse Kombination aus Länge und Top-Speed), aber hat das bei Georgia und Michigan State bisher nicht aufs Feld bringen können (und bewies bisher wirklich kaum Ballskills). Von DB Isaiah Bolden habe ich so gut wie nichts gesehen, daher erspare ich mir hier längere Ausführungen, doch scheint er in eine ähnliche Richtung wie Speed zu gehen: groß, extrem schnell und explosiv, in spielerischen Aspekten dagegen (wohl) noch unausgereift. Btw, Douglas und insbesondere Bolden haben einige Erfahrungen als Returner, vielleicht spielte das zusätzlich eine gewisse Rolle (gerade Bolden brillierte da die letzten Jahre).

Gang Green Germany: Will McDonald ging an der 15 zu den Jets. Die im Konsens höher gesehen Murphy und Smith gingen erst an 28 bzw 30. Rein den Needs geschuldet oder denkbar, dass mehr Teams McDonald höher auf ihrem Board hatten?

Rein den Needs geschuldet denke ich nicht, wenngleich ich im ersten Teil des Beitrags den Gedanken ausgeführt habe, dass gefühlt weniger Teams strikt BPA picken, sondern vielmehr eine Strategie bevorzugen, die man als BPA auf Need-Positionen bezeichnen könnte. Dennoch: Top-Prospects fallen in der Regel nicht so weit, gerade wenn es sich auch noch um eine so wichtige Position wie Edgerusher handelt. Von daher ließe sich durchaus davon ausgehen, dass noch weitere Teams McDonald vor Murphy und Smith gerankt hatten, zumal der Hype um McDonald in den Tagen vor der Draft noch einmal zunahm.

Ich gehörte übrigens nicht dazu – was weniger damit zu tun hatte, dass ich McDonald nicht mochte, sondern schlicht damit, dass ich Murphy und Smith extrem hoch hatte (beide in den Top 10). Unabhängig davon muss ich zugeben, dass ich gerade vom Jets-Pick überrascht war. Murphy wäre ein klassischer schwerer 4-3 DE gewesen, mit denen Salah bei den 49ers ja einigen Erfolg hatte, und Smith wurde im Vorfeld als Front-Spieler mit enorm variablem Skillset wiederholt mit den Jets in Verbindung gebracht. Aber offensichtlich wollte man einen echten outside Speedrusher mit sensationellem Bend haben, der mit seiner Explosivität und Balance den OT vom Snap an unter Druck setzt. Ich glaube zwar, dass sich Smith dazu ebenfalls gut eignet, nur wurde er eben weit seltener so eingesetzt und ist deswegen wohl nicht ganz so ausgereift in diesem Metier wie McDonald.

So oder so: Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass die Karrieren dieser drei Spieler in den kommenden Jahren abgeglichen werden.

Marvin Bartels: Meine Frage: Da wir einen klaren Need auf LB haben, haben wir Caleb Tannor von Nebraska gesigned. Nur mal ein kurzes Profil von ihm.

Ich befürchte, dass ich dir da keine großen Hoffnungen machen kann. Tannor spielte eigentlich fast ausschließlich EDGE/OLB in der 3-4 Defense von DC Erik Chinander. Vor der letzten Saison wurde auf eine 4-3 Formation gewechselt, und er wechselte meist auf DE (wofür er deutlich undersized war) agierte nur gelegentlich als echter Off Ball-LB (wenn LB, dann oft an der Line mit Blitz/Rush-Aufgaben). Tannor spielt mit hoher Intensität und hat kräftige Hände (guter Punch, mit dem er ein wenig Schaden anrichten kann), ist über die letzten Jahre ein verlässlicher Team Leader gewesen, aber hat keine besondere Athletik (Burst noch okay, Wendigkeit für outside Rush dagegen eher unterdurchschnittlich). Die bräuchte er jedoch, um seine nicht ideale Statur zu kompensieren. Tannor war ein recht hoher Recruit, der sein Potenzial leider nie so ganz abrufen konnte. Über all die Jahre zwar viele Starts, jedoch eher maue Produktion. Ich würde es ihm gönnen, betrachte seine Chancen allerdings eher skeptisch.

Oliver Friedl: Wie würdest du Trenton Simpson am ehesten in der BAL-Defense einsetzen? Als Blitzer, als Nickel LB gegen heavy personnel oder schon langsam als WILL rantasten lassen? Natürlich angenommen, Patrick Queen wird nicht getradet vor der Saison.

Wenn ihr euer LB-Corps in der aktuellen Form behaltet, würde ich Simpson langsam heranführen, aber in bestimmten Situationen verstärkt einsetzen (so er im Trainingscamp da seine NFL-Tauglichkeit nachgewiesen hat). Der erste Bereich wäre für mich eindeutig die (Man) Coverage gegen TEs, da er dort meiner Ansicht nach wirklich brilliert hat. Mir gefallen seine Fluidität und Beweglichkeit, seine schnellen, fast schon Safety-mäßigen Transitions sowie sein guter Burst nach dem Turn. Hier könnte er schnell Einsatzzeit erhalten. Der zweite Bereich wäre seine Downhill-Aktivität, also insbesondere sein Blitzing, das er mit enormer Force und starken initial Punches bestreitet. College-OL waren wiederholt überrascht, mit wieviel Power er in den Kontakt kommt. Insofern wären Einsätze bei 3rd down, bei denen er wahlweise Coverage- oder Blitz-Aufgaben ausfüllt, wahrscheinlich ein vielversprechender Anfang. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er sich positiv für weitere Bereiche entwickelt, doch würde ich ihn zu Beginn mit sehr klar definierten Tasks beauftragen. Mir haben seine Spielzugerkennung und seine Antizipation nicht besonders gut gefallen. Wenn er weniger nachdenken (oder lesen) und mehr agieren konnte, war er meist am stärksten.

Staeniel: Wie siehst du den fit von Flowers in Baltimore? Die Konkurrenz dort ist groß und Monken hat bei Georgia mit Bowers vermehrt einen TE als erste Option eingesetzt. Zumal die Offense auch dort sehr lauflastig war. Wird es dort garkeinen WR1 geben, was die production angeht?

Ich finde den Fit von Flowers in Baltimore außerordentlich spannend, gerade in Ergänzung zum bestehenden (und deutlich verbesserten) Receiver-Corps – zumindest wenn Odell Beckham an seine alte Form anknüpfen kann und Rashod Bateman endlich einmal von Verletzungen verschont bleibt. Dazu Flowers als irre dynamischer Spieler, der meiner Ansicht nach nicht nur auf den Slot festgelegt, sondern umhergeschoben werden sollte (von Z über Slot bis Backfield), das sieht auf den ersten Blick nach einer substanziellen Erleichterung für den diesbezüglich leidgeplagten Lamar Jackson aus.

Bezüglich der Präferenzen von Todd Monken würde ich mir übrigens keine großen Sorgen machen. Ja, Bowers war die klare #1 in der vergangenen Saison, doch das lag auch an den fehlenden Optionen auf outside WR nach dem Abgang von Kendall Milton und der Verletzung von AD Mitchell. In der Saison 2021 war Monkens Offense noch mehr auf den Perimeter ausgerichtet, und ich sehe es eher als Zeichen von sinnvollen Adjustments je nach verfügbarem Personal an, dass er 2022 reagiert hat und verstärkt die Mitte attackierte. Dabei setzte er ja übrigens nicht nur auf Bowers und den zweiten TE Darnell Washington (die Bulldogs spielten extrem viel 12-Personnel), sondern ja auch auf den Slot-WR Ladd McConkey (zweitmeiste Catches und Yards) und RB Kenny McIntosh (drittmeiste Catches und Yards). Da würde ich mir ehrlich gesagt überhaupt keine Sorgen machen. Ganz im Gegenteil, mich freut es, dass Flowers in einer Offense mit einem so kreativen OC gelandet ist, der ihm (hoffentlich) auf verschiedensten Wegen den Ball in die Hände bringen wird, damit er seine herausragenden YAC-Skills einsetzen kann – und der nebenbei nicht vergisst, dass Flowers für seine Größe kein schlechter vertikaler / contested Catch-WR ist. Ich bin sehr gespannt.

Selbsternannter Sportexperte: Warum glaubst du ist Antonio Johnson bis in Runde 5 gefallen und glaubst du, er kann day 1 Starter auf Nickel sein? Und welche Rolle traust du Parker Washington in der NFL zu?

Obwohl ich Johnson ein wenig höher hatte, wunderte es mich nicht so stark, dass er tiefer gefallen ist als vom Konsens erwartet. Bei ihm ist mir nicht so ganz klar, wo er genau eingesetzt werden soll. Bei Texas A&M hat er viel als Nickel-DB gespielt, doch hat er meiner Ansicht nach ein paar Schwächen in (Man) Coverage (nicht die größte Fluidität und Wendigkeit, keine ideale Foot Quickness für die Transitions, erste Schritte danach nicht super-explosiv), die in der NFL ausgenutzt werden könnten. Seine größten Stärken liegen im Spiel downhill: Hier zeigt er guten Burst bei seinen Breaks nach vorne, tacklet oft (leider nicht immer) sicher und recht hart und spielt allgemein sehr physisch gegen den Lauf und kurze Pässe gen Seitenlinie. Ist er mit seinem Skillset eher ein Box Safety? Könnte aber auch im Slot spielen, wenn er ein wenig mehr (Off) Zone-Aufgaben in Coverage übernimmt. Ich glaube, dass Johnson eine Rolle in der NFL finden kann, womöglich muss diese nur eher spezifisch ausfallen. Ob es für Impact von Spieltag 1 an reicht, sehe ich eher fraglich, doch wer weiß…

Parker Washington ist ebenfalls ein ziemlich spannender Kandidat, der ein wenig tiefer gefallen ist. Seine Rolle dürfte ebenfalls spezifisch sein: Slot-WR mit YAC-Skills. Washington ist keiner dieser extrem agilen undersized Slot-WRs mit dynamischen Routes, sondern hat ja eher einen RB-Körper und spielt auch so. Er gewinnt (noch) nicht unbedingt durch technisch ausgefeilte Routes oder besondere Explosivität nach den Cuts, sondern 1) mit exzellenten Ball Skills (und einem größeren Catch Radius, als seine Größe nahelegt) und 2) mit seinen Fähigkeiten nach dem Catch. Washington packt nicht unbedingt die spektakulärsten Moves aus, sondern agiert mit Physis, Power und Balance – eben wie ein Running Back. Könnte sich damit zu einem wertvollen Spieler underneath entwickeln, der für eine Menge 1st downs gut ist.

Christian Schimmel: In welchen Geisteszustand muss ich mich versetzen, um in der Zukunft mal einen Chargers Draft zu feiern?

Spontane erste, aber nicht zielführende Antwort: Begib dich lieber in die Vergangenheit als in die Zukunft, idealerweise ins Jahr 2018 zurück: Derwin James, Uchenna Nwosu, Kyzir White plus everyone’s favorite Justin Jackson – und auch Scott Quessenberry sowie Justin Jones waren zumindest keine Totalausfälle. Problem: Kaum noch jemand von denen spielt bei den Chargers.

Und mal ganz im Ernst: Ich kann dich sehr gut verstehen. Es ist ja nicht einmal so, dass die Chargers so weirde Drafts wie beispielsweise die Patriots hinlegen, sondern dass die Spieler zwar größtenteils zumindest okayes Value darstellen, aber deinen (Scouting-)Geschmack einfach nicht besonders oft treffen. Rein statistisch ist es wirklich schwer, dass sie das Jahr für Jahr recht gut hinbekommen, denn so weit weg sind deine Rankings ja nun auch nicht. Da sich die Chargers wahrscheinlich in näherer Zukunft nicht auf deine Expertise als Scout stützen werden und du deine Rankings ja nicht so umgestalten kannst, dass es passt, weil du schlicht nicht weißt, was GM Tom Telesco und Co. vorhaben, hilft wahrscheinlich nur die Einnahme von Substanzen – und zwar solchen, die die Geschehnisse nicht unbedingt egal werden lassen, aber dich so mit innerer und äußerer Harmonie erfüllen, dass du die Chargers-Picks fast wie deine eigenen betrachtest. Nur was könnte da in Frage kommen?

Benjamin Schmidt: Wichtigste Frage: Gewinnt Easton Stick oder Max Duggan das Duell um den QB-2 Posten der Chargers?

Ungemein wichtige Frage ganz ohne Zweifel. Ich möchte ungern gegen Easton Stick setzen, da der ein Nebraska Highschool-QB war, den ich – mindestens als Competition – gerne bei den Huskers gesehen hätte, der aber ja bei North Dakota State dann weitaus größere Erfolge feiern konnte. Allerdings hat Max Duggan als Gamer mit dem gewissen It-Factor keine schlechten Voraussetzungen, sich den Backup-Posten zu sichern. Die Bausteine des QB-Spiels mögen bei ihm einzeln betrachtet nicht besonders beeindruckend ausfallen, aber mit seiner Mobilität und Pocket Movement, mit seinem Gefühl fürs QB-Play, mit seiner Toughness und nicht zuletzt seinem Clutch-Gen würde ich nicht unbedingt gegen ihn wetten. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass die Backup-QB-Position bei den Chargers alles andere als ideal gelöst ist. Die Verletzung des Franchise-Quarterbacks wäre zwar bei jedem Team eine Katastrophe, doch hier bestünde – Stand jetzt – besonders wenig Hoffnung darauf, die Saison dennoch zumindest ansatzweise erfolgreich zu gestalten. Da sind andere Teams doch ein wenig besser aufgestellt.

Mello: Haben die Konkurrenten der Chiefs in der AFC West so deutlich bessere Picks gelandet, dass die Dominanz wackeln wird? Gleiche Frage habe ich zu Bengals Eagels Bills im Vergleich zu Chiefs. Ich habe den Eindruck die Chiefs verlieren an Boden. Gab starke Picks bei der Konkurrenz.

Würde ich ehrlich gesagt nicht unbedingt so sehen. Im Vergleich zu den anderen AFC West-Teams fand ich die Chiefs Draft ehrlich gesagt ziemlich solide. Mag sein, dass man auf OT Anton Harrison geschielt hatte, doch da war ja durch die drei frühen OT-Picks klar, dass ein Uptrade notwendig sein würde, den die Chiefs entweder nicht eingehen wollten oder nicht finalisieren konnten. Mit DE Felix Anudike-Uzomah wurde stattdessen eine andere kleine Lücke gestopft. Er sollte diese Saison mindestens in der Rotation spielen. WR Rashee Rice ist mit seinem starken Route Running, den überragenden Ballskills und dem physischen Mindset eine sehr spannende Waffe für Patrick Mahomes und sollte sich schnell und gut ins variable WR-Corps einfügen. Ich halte viel von OT Wanya Morris als Upside-Pick, der vielleicht noch einen Moment Entwicklungszeit braucht, aber sehr viel Potenzial mitbringt. Von welchen mid-round OTs kann man das behaupten? Nickel-DB Chamarri Conner war vielleicht einen Tick zu früh (obwohl ich den Spieler am Colege mochte), doch reden wir hier vom dritten Tag, und die beiden Picks vom extrem bendy Passrush Specialist und dem sehr tief gefallenen NT Keondre Coburn sorgen für weitere Depth – und unterschätztes Talent – in der D-Line. Ich sehe ehrlich gesagt nicht, dass die Drafts der Chargers, Broncos oder Raiders nun substanziell besser gelaufen sind. Klar, ein Top 10-Pick wie DE Tyree Wilson hilft immer, ansonsten würde ich den Talentzuwachs von Chargers und Raiders aber nicht über den der Chiefs einordnen. Die Broncos haben vielleicht etwas Value gemäß ihrer Draftpositionen mitgenommen, haben allerdings auch erst Ende der zweiten Runde ins Geschehen eingegriffen.

Und zur Non-Division-Konkurrenz: Wie ich im ersten Teil und in den Rückschauen zu den ersten beiden Draft-Tagen dargelegt habe, mag ich die Drafts der Bengals und Bills (hier vor allem die ersten beiden Tage) ziemlich gern, und die Draft der Eagles ist allein Value-technisch über jeden Zweifel erhaben. Die Bills könnten mit TE Dalton Kincaid und OG O’Cyrus Torrence zwei frühe Starter mitgenommen haben, und von LB Dorian Williams halte ich recht viel. Danach gab es aber lediglich drei weitere Picks, zwei davon in Runde 7. Die Bengals nahmen viel Value mit, taten von DE Myles Murphy abgesehen jedoch nichts für die Trenches. Auch da wird man erst einmal abwarten müssen. Solange die Chiefs Mahomes haben, müssen sich die anderen Teams erstmal strecken, um ansatzweise in diese Regionen vorzudringen. Und auf die Eagles würde man ja wenn überhaupt frühestens im Super Bowl treffen.

Der letzte Teil der Frage ermöglicht mir übrigens einen reibungslosen Übergang von der AFC zur NFC…

NFC:

Dennis Sikorski: ‚Scout the player, not the helmet‘ – sollte man den Georgia-heavy Draft der Eagles nicht doch stärker kritisieren?

Ich reagierte auf die Frage ja schon mit der Gegenfrage, ob du nun zum advocatus diaboli mutiert bist. Nein, im Ernst, ich verstehe, dass man kurz innehält und eine gewisse Skepsis zulässt, wenn man allerorten für die Draft gelobt wird. Aber meiner Ansicht nach steckt da weniger Kalkül drin, als es auf den ersten Blick erscheint. Alle drei Bulldogs-Spieler, Jalen Carter, Nolan Smith und Kelee Ringo, sind so tief gefallen, wie es fast niemand erwartet hat. Dass die Eagles mit ihrem gut gefüllten Roster da hemmungslos auf Talent gehen konnten, sollte man ihnen definitiv nicht ankreiden. Und dass es ausgerechnet drei Protagonisten einer der dominanteren College-Defenses der jüngeren Zeit trifft, ist auch nicht unbedingt ein Gegenargument. Außerdem sorgte man ja mit OT Tyler Steen sowie den UDFAs Eli Ricks und Mekhi Garner noch für etwas Ausgleich von den anderen SEC-Blaublütern.

Obwohl es nach der vergangenen Draft mit Jordan Davis und Nakobe Dean so wirken mag, glaube ich nicht, dass dem eine ähnliche Motivlage zugrunde liegt wie zeitweilig bei den Raiders und Clemson oder den Patriots und Rutgers. Das enorme Talent der Bulldogs fiel den Eagles mehrfach in den Schoß (oder zumindest so weit, dass man aktiv werden musste). Nein, an den Entscheidungen lässt sich wirklich nichts aussetzen.

Besdomny: Hand aufs Herz: Howie ist der G.O.A.T., oder?

Momentan schwebt Eagles GM Howie Roseman zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung auf Wolke sieben – wobei ja nach der Draft Stimmen aus anderen Front Offices laut geworden sind, die sich über den Hype um Howie beschwert haben. Ich kann mich den Lobeshymnen insbesondere in den letzten Jahren nur vollumfänglich anschließen. Es geht ja nicht darum, dass jedes FA-Signing oder jeder hohe Draftpick sitzt (Jalen Reagor, ähem, den ich zugegebenermaßen ähnlich hoch wie Howie hatte). Wichtig ist, dass die grundsätzliche Philosophie stimmig ist und die meisten Entscheidungen sich auszahlen.

Als Freund der Trenches finde ich es zudem beruhigend, dass Roseman eindrucksvoll bewiesen hat, dass man auch auf diese Weise ein Team aufbauen kann. Wie ich auf diesem Blog in den letzten Jahren gebetsmühlenartig wiederholt habe: Viele Wege führen nach Rom. Howies ist einer davon: nicht der einzige oder der einzig erfolgsversprechende, aber eben ein erfolgsversprechender. Damit hat er die Perspektive auf Teamstrategien wieder etwas verbreitert, die mir zeitweilig sehr eng vorkam. Um das mal zu illustrieren: Vor einigen Jahren wäre die Kritik wahrscheinlich deutlich größer ausgefallen, wenn ein Team mit seinen zwei (höchsten) 1st round Picks in Folge zwei massige DTs pickt – und das jeweils noch per nicht ganz billigem Uptrade (bei Jordan Davis von #15 auf #13 für einen 4th und zwei 5th rounder, bei Jalen Carter von #10 auf #9 für einen 4th rounder). Über die Uptrades kann – und soll – man diskutieren, die Idee dahinter ist allerdings recht klar ersichtlich.

Ein weiterer Vorteil, den das Eagles Roster bietet und den Roseman geschickt ausnutzt: Die gute Ausstattung erlaubt es ihm, künftige und nicht aktuelle Lücken zu stopfen, so dass die Spieler im Idealfall ein Jahr Zeit zum Eingrooven haben und nicht sofort alles von ihnen abhängt. Das sieht alles schon nach einer sehr runden Sache aus – die im Januar bereits gekrönt worden wäre, würde es da einen gewissen Patrick Mahomes nicht geben…

Calle_Jon: Man hört ja immer wieder, dass Carter zu den Eagles gut passt, wegen ex Bulldogs Mitspielern und „starkem“ Lockerroom. Was macht einen „starken“ Lockerroom für junge Spieler aus?

Das ist wohl die am schwersten zu beantwortende Frage des Mailbags und gerade deswegen auch eine der spannendsten. Ich glaube nicht, dass es eine einzige Antwort darauf gibt, daher muss ich einfach einen von vielen möglichen Wegen versuchen. Für mich wäre ein starker Locker Room einer, der 1) gefestigt ist und 2) jeden einzelnen Spieler accountable hält. Gefestigt bedeutet in diesem Fall: ein gewachsenes Gebilde, in dem idealerweise einige Spieler schon sehr lange dabei sind. Die können den Ton angeben, müssen dies aber nicht unbedingt im Sinne einer besonders krassen Hierarchie tun, sondern genauso durch ihre Taten sowie ihre tagtäglichen Routinen mit gutem Beispiel vorangehen. Die Strukturen innerhalb des Teams sind etabliert und allgemein anerkannt und sorgen auch dafür, dass sich jeder Spieler wohlfühlen und entfalten kann. Hierarchien können oftmals schnell in Bullying von Spielern abgleiten, die noch nicht lange dabei sind oder leistungsmäßig hintenanstehen. Das sollte natürlich unbedingt vermieden werden. Accountable bedeutet in diesem Fall: Jeder einzelne Spieler – und nicht nur die Großkopferten – trägt zu dieser Atmosphäre bei und ist verantwortlich dafür, dass das Gebilde fortbesteht. Jedem einzelnen Spieler ist klar (oder wird klargemacht), wie wichtig sein eigener Beitrag zu dem großen Ganzen ist, ganz egal, ob er viel spielt oder wenig. Jeder weiß, dass ein Locker Room fragil ist oder schnell werden kann, wenn einige aus der Reihe tanzen: sei es, weil sie sich innerhalb des Teams dysfunktional verhalten, sei es, weil sie außerhalb für Probleme sorgen und deswegen mitunter nicht zur Verfügung stehen, selbst wenn sie ansonsten noch so gute Teammates sein mögen. Beides kann auf unterschiedliche Weise – und unterschiedlich schnell – das Gebilde zum Einsturz bringen. Idealerweise gibt es erfahrene, verantwortungsbewusste und für den Rest des Teams auch vertrauenswürdige Spieler, die die Einhaltung gewisser Mindeststandards sicherstellen und ansonsten eingreifen, ohne dass die Coaches da in irgendeiner Form involviert sind.

Und nun kommen wir zu Carter: Ein Locker Room in der NFL weist eine enorm hohe Fluktuation auf. Spieler werden gecuttet, getradet, landen auf IR etc. Niemals werden in einer so großen Gruppe von Menschen alle ähnlich viel mit allen anderen zu tun haben. Gerade Spieler, die vielleicht aus schwierigen Verhältnissen kommen oder sich schlicht nicht so gut in einen Locker einfügen können und lieber ihr eigenes Ding machen, brauchen vertraute Gesichter, die ihnen Stabilität geben – und die ihnen vielleicht auch in der präferierten Art und Weise den Ablauf und die (impliziten) Regeln des Teams nahebringen können. Dafür eignen sich Spieler, mit denen man bereits einige Jahre – zudem noch enorm erfolgreich – am College zusammengespielt hat, womöglich besonders gut. Davis und Dean haben nun ein Jahr mitbekommen, wie der Hase bei den Adlern läuft, Davis spielt sogar in derselben Positionsgruppe. All das kann bei der Eingewöhnung enorm helfen. Wir dürfen nicht vergessen, wie groß die Disruptionen für die Spieler mitunter ausfallen können: erst von Zuhause oftmals Hunderte oder gar Tausende Kilometer entfernt in eine fremde Region ans College, dann irgendwo anders hin zu einem NFL-Team – und plötzlich auch noch mit einem nicht unbeträchtlichen Geldregen bedacht. Es braucht keine große Fantasie, um sich vorzustellen, was das mit jungen Menschen machen kann.

Ich hoffe, dass diese Zeilen (die natürlich nur einen Teil des Themas abdecken) ansatzweise nachvollziehbar waren.

One PriDE: Die Lions draften Gibbs an 12 und traden gleichzeitig Swift (hoher Zweitrundenpick und bei vielen Top 20 Spieler 2020) für’n Appel und’n Ei. Warum merken Teams nicht, wenn sie die Kritik der Experten und „Running Backs don’t matter“ mit ihrem Handeln sogar selbst bestätigen?

So sehr ich den Pick von Gibbs kritisiere, weiß ich nicht, ob das das richtige Beispiel für den geringeren Wert der Position ist (von der völlig unpassenden Absolutheit des Spruchs „RBs don’t matter“ mal abgesehen – warum sollte es überhaupt noch RB Rankings geben, wenns eh gar keinen Unterschied macht?). Swift hat sich aus unterschiedlichen Gründen (und teils verletzungsbedingt) nicht so ausgezahlt, wie das viele (übrigens inklusive mir) vermutet oder gehofft hatten. Dass man ihn nach drei Jahren tradet und einen Ersatz holt, finde ich nicht so ungewöhnlich und geschieht auch auf anderen Positionen. Wo wir gerade bei den Eagles waren, dort gab es (vor)letzte Saison einen ähnlichen Move mit dem Trade von 1st round-Enttäuschung Jalen Raegor und dem neuen 1st rounder DeVonta Smith (wenngleich ein Jahr versetzt – plus natürlich den A.J. Brown-Trade, doch der nimmt letztlich eine andere Position ein). Passiert insgesamt ja nicht so selten, dass ein Spieler, der seinen hohen Draftpick leistungsmäßig nicht erfüllt, von einem neuen hohen Draftpick abgelöst wird, auf den dann wiederum die Hoffnungen umgelagert werden. Selbst zwischen der Draft von Carson Wentz und der von Jalen Hurts lagen übrigens nur vier Jahre, also eins mehr als zwischen Swift und Gibbs. Glaube daher, dass dieser Umstand allein nicht zu viele Schlüsse nach sich ziehen sollte.

Ich würde es anders aufziehen: Ich finde den Pick von Gibbs an dieser Stelle unnötig, weil meiner Ansicht nach erstens noch einiges Hochkarätigeres auf dem Board war, was zudem mehr Impact verspricht, und zweitens Swift ein solches Talent ist, bei dem es sich durchaus gelohnt hätte noch zu warten, bevor man ihn aufgibt.

Ja $ Island: Reed, Wicks, DuBose wurden alle von den Packers gedraftet. Wem traust du den größten Impact zu?

Jayden Reed, und das nicht nur, weil er am frühesten gedraftet wurde. Reed hat vielleicht nicht der übergroße Ceiling, aber einige Tools, die ihn dafür befähigen, schnell produzieren zu können: Er kann innen und außen eingesetzt werden, ist auf allen Feldebenen eine Waffe und läuft nicht nur starke, sondern auch variable Routes dank seiner exzellenten Foot Quickness (kann sich den DB zurechtlegen, breites Arsenal an unterschiedlichen Route Stems und Schrittfolgen), sehr gute Körperkontrolle und vor allem -positonierung am catch point (plus Body Control) und zumindest solide Skills im open field mit dem Ball in der Hand (ist ja zudem ein extrem gefährlicher Punt Returner). Ich glaube fest, dass er Jordan Love schnell weiterhelfen kann.

Dass ich Reed vor den anderen beiden Receivern habe, bedeutet indes nicht, dass ich sie nicht mag. Dontayvion Wicks projectet als X-WR mit vertikaler Gefahr, wenngleich man abwarten muss, ob sich dieser Spielstil mit seiner sneaky Separation downfield ob seines unterdurchschnittlichen Speeds umstandslos auf die NFL übertragen lässt. Wenn er seine fürchterliche 2022er Saison hinter sich lässt und an 2021 anknüpfen kann, als er mit sensationellen Ballskills und akrobatischen Catches brillierte, könnte er sich zu einer netten Alternative entwickeln.

Fast noch größere Chancen rechne ich Grant DuBose aus. Der bringt vielleicht nicht so viel Upside wie Wicks mit, könnte sich dank seiner profilierten Routes mit starken Cuts sowie seinen sicheren Händen jedoch zu einer verlässliche Possession-Waffe entwickeln. Nicht unbedingt spektakulär, aber es braucht eben auch die Chain Mover.

Zachner: Was sagst du zu Brenton Cox? UDFA zu den Packers.

Wie ich bei den UDFA schon einmal kurz ausführte: Rein vom Talent auf dem Feld betrachtet einer der größten drei Value-Nichtpicks. Problem ist halt das Drumherum. Ich weiß, dass das eigentlich lazy ist, aber da ich ihn im Sleeper-Beitrag schon einmal vorgestellt habe, kopiere ich diese Zeilen hier einfach mal rein. Hoffe das ist okay so.

EDGE Brenton Cox (Florida, redshirt Senior, 6’4, 250): Flog sowohl bei Georgia als auch bei Florida raus, bringt also dicke Red Flags mit (nix Kriminelles oder so, scheint nur nicht leicht kompatibel zu sein für Teams oder Coaching Staffs). Leicht undersized, nicht besonders athletisch, aber auf dem Feld mochte ich ihn ziemlich. Exzellenter Getoff (man vergleiche es mal mit seinem Teamkollegen Gervon Dexter), geht mit niedriger Leverage in den Kontakt, hat mächtig Pop in den Händen. Mehrere krasse Plays, in den er den OT mit dem initial Punch in die Pocket zurückpusht (s.u.). Handeinsatz so gut, dass er mit 250 Pounds ein mehr als solider Edgesetter ist. Hat eine gewisse Foot Quickness fürs Gap Shooting, guter Handeinsatz beim outside Rush, ich mag aber, dass er mit Big Boy-Moves gewinnt (insbesondere Stab, Bull). Verkleinert zuverlässig die Pocket für den QB. Muss disziplinierter und kontrollierter spielen, gerade im Tackling zu wild. Aber kein schlechter Footballspieler. Den Rest müssen andere entscheiden. Auf dem Feld für mich in den ersten Runden von Tag 3.

https://tripleoptionblog.wordpress.com/2023/04/27/deeper-sleeper-2023/

Wie gesagt, er scheint ein stranger Charakter zu sein. Hier wäre dann der oben ausgeführte starke und stabile Locker Room vielleicht eine Hilfe, um ihm zu vermitteln, dass das seine allerletzte Chance ist. Ganz umsonst hat es ja nicht ein wenig länger gedauert, bis sich ein Team erbarmt hat. Wir werden sehen. Das Gute ist halt: Fügt er sich nicht ein, ist er im Nu wieder weg.

BearsByron: Gibt es passende NFL Comps für Gervon Dexter und Zacch Pickens? Die College Production wird verständlicherweise immer wieder negativ angeführt. Was siehst Du als den Best Case und was der wahrscheinlichste Case für ihre Entwicklung?

Ich bin nicht der größte Fan von NFL Comparisons: zum einen, weil ich die meisten schlecht oder ungenau finde, zum anderen, weil mir schlicht selten gute einfallen. Auf die Spieler gehe ich aber gerne ein (btw, ich habe sie beide auf dem Blog schon einmal etwas ausführlicher portraitiert: Gervon Dexter // Zacch Pickens).

Bei Dexter betrachte ich die Produktion ein wenig positiver als der Konsens. Zum einen hat er in den letzten beiden Saisons relativ viel – und einigermaßen sicher – getacklet (jeweils über 50 Tackles). Bei einem Defensive Tackle kann meiner Ansicht nach die absolute Tackle-Anzahl schon ein gewisses Indiz sein, etwa im Gegensatz zu einem Off-Ball Linebacker. Zudem hatte Dexter sowohl die meisten Pressures als auch die meisten Hurries der gesamten Gators-Defense, diese schlug sich nur nicht in einer entsprechenden Menge Sacks wieder. Es ist zwar nicht gesagt, dass das nicht durchaus auch mit Finishing-Qualitäten zu tun haben könnte, doch hat Dexter zumindest auf weit mehr Pass Plays Einfluss genommen, als seine Sack-Anzahl suggeriert. Bei ihm bin ich relativ optimistisch, dass er sich zu einem guten penetrating 3-tech DT entwickeln könnte. Er muss dringend an seinem Getoff arbeiten (der ihm viel Effektivität genommen hat), aber sein Handeinsatz (insb. der initial Punch) und sein Bullrush sind bereits stark. Zudem verfügt er über wirklich flinkes (auch laterales) Footwork für seine Größe, das ihm Potenzial im Gap Shooting sowie eine gewisse Slipperiness verleiht, wodurch interior O-Liner Schwierigkeiten bekommen dürften, die richtige Positionierung zu behalten und seine Hände effektiv an ihn zu bekommen. Zudem verfügt er über exzellente Spielzugerkennung und die nötige Disziplin und Reaktionsschnelligkeit, beim Play zu bleiben.

Pickens ist die größere Projektion. Er wurde trotz nur 290 Pounds ungewöhnlich viel als 1-tech eingesetzt und musste sich daher oftmals mit double Teams rumschlagen. Bei ihm verhält es sich fast spiegelverkehrt: exzellenter Getoff und Burst, dadurch starkes Gap Shooting, aber ihm fehlt die technische Finesse im Passrush und die Konstanz beim Handeinsatz. Er gelangte erstaunlich oft ins Backfield, ohne dort für entsprechend viele Plays zu sorgen. Beim Senior Bowl und bei der Combine überzeugte er mit hervorragender Athletik, Wendigkeit und in den field drills einem netten Bend, was in Kombination mit seiner Kraft und zumindest passablen Leverage auf einiges Potenzial hindeutet. Pickens war nicht umsonst eines der größten DT-Talente aus der Highschool in den vergangenen Jahren. Der Weg zu einem NFL-Starter mit Impact ist meiner Ansicht nach allerdings schon noch länger und eine Ecke unwägbarer als bei Dexter.

Ich bin übrigens gespannt, ob man Pickens als 1-tech Konkurrenz bzw. Depth einplant oder beide als 3-techs sieht – oder die Positionen eh variabler auslegt.

Tobias Starke: Die Bucs holen sich noch ihren 1. WR des Drafts mit Trey Palmer von Nebraska! @giannivanzetti kannst mir a tiefere Evaluation des Spielers geben? Was mir ins Auge gestochen ist, ist Speed Speed Speed!

Shank Hill: Wie hat dir der Trey Palmer Pick gefallen?

Ich fasse die beiden Fragen mal zusammen, wenns okay ist. Tobias, deine hatte ich in den Tagen nach der Draft schlicht vergessen zu beantworten, sorry!
Ich erwähnte es im Verlauf der letzten der Saison bei den Sofa Quarterbacks öfter mal: Ich glaube nicht, dass ich in über 25 Jahren Fantum mit den Huskers einmal einen solchen Gamebreaker in deren Offense erlebt habe. Palmer hatte wahrlich keine idealen Rahmenbedingungen, aber brach in seinem einen Jahr nach dem Transfer von LSU mal so eben den Schulrekord für Receiving Yards in einer Saison und war damit nach Stanley Morgan überhaupt erst der zweite Receiver der Huskers, der die 1000 Yards knackte. Es ist halt kein Programm, bei dem die Receiver besonders im Rampenlicht stehen. 2023 gab es Unruhe wegen der Entlassung von HC Scott Frost, eine grandios schlechte O-Line und daher nur ein inkonstantes Passspiel – das störte Palmer allerdings nur wenig.

Seine hervorstechendste Eigenschaft ist natürlich der Weltklasse-Speed. Palmer wirkt vom Bewegungsablauf manchmal gar nicht so beeindruckend schnell, bis man sieht, wie er an Defendern vorbeifliegt. Nimmt Geschwindigkeit aus seinem starken Release und Schwung aus seinen (soft) Cuts mit – und plötzlich hat er alle überlaufen und steht tief total allein. Gefährlichste Routen daher nicht unbedingt die Go, sondern insbesondere Post und Over Routes. Wurde innen und außen eingesetzt, sehr gefährlich aus Bunch-Formationen. Nach dem Catch nicht unbedingt nur der Burner, sondern arbeitet gut mit Speed-Variationen. Benötigt noch Verbesserungen für einen vollen Route Tree, ist nicht der größte contested Catch-WR und – wohl das größte Problem – fängt oft mit seinem Körper, daraus resultierten ein paar Drops zu viel. Hat er eigentlich nicht unbedingt nötig, wie er gelegentlich bei seinem vertikalen Ball Tracking unterstreicht (zudem gelangen ihm auch schwierige Catches auf Grasnarbenhöhe, die einen gewissen Radius verraten). So oder so: Er wird erst einmal als Field Stretcher vorgesehen sein und dürfte sich nebenbei als Returner empfehlen (obwohl er das nicht dauerhaft gespielt hat, aber durchaus gelegentlich erfolgreich).

Palmer ist sicherlich nicht mein favorisierter Husker aller Zeiten, dazu hätte er etwas länger da sein müssen. Ein wenig Huskers-Auffrischung bei den Bucs ist dennoch nicht verkehrt.

Markus: DJ Johnson wirklich ein Reach, den die Panthers in der dritten geholt haben oder siehst du Potential, das er Starter werden kann?

Ich hatte das schon in der Draftepisode vom wunderbaren Podcast #keeptalking ausgeführt: Aus meiner Sicht war DJ Johnson nicht gerade gutes Value an dieser Stelle, vor allem in Anbetracht des teuren Uptrades, der den Panthers einen allein aufgrund der geringen Gesamtzahl an Picks wichtigen 4th rounder kostete. Ich habe nicht ganz verstanden, warum das nötig war. Selbst wenn man von Johnson entgegen der landläufigen Meinung deutlich mehr überzeugt war, hätte ich es für sinnvoll erachtet, einfach zu hoffen, dass er einem an #93 in den Schoß fällt – was sicherlich nicht komplett unwahrscheinlich gewesen wäre.

Das alles bedeutet jedoch nicht, dass ich ihm jedwedes Potenzial absprechen würde, einmal Starter zu werden. Wäre bei einem 3rd rounder zu diesem Zeitpunkt auch relativ absurd. Es ist ja nicht so, dass Johnson nichts mitbringt. Er ist ein unfassbarer Athlet mit guter Size (by the way die #4 auf der letztjährigen Freak List von Bruce Feldman), hat einen exzellenten Getoff und explosive erste Schritte und setzt seine langen Arme und großen Pranken im ersten Kontakt gut ein. Bringt eine gewisse Variabilität mit, da er sowohl mit Power (Bullrush) als auch mit Speed (outside Rush mit guter Balance und Bend) und schnellen inside Countern zum Erfolg kommen kann. Doch hat er ebenso viele Fragezeichen: Johnson ist nach mehreren Positionswechseln (DE, TE, OLB) bei zwei verschiedenen Teams erst in seinem sechsten Jahr wirklich durchgestartet, zuvor war er größtenteils Backup mit überschaubarer Produktion. Er ist bereits sehr alt (wird 25) und hat technisch (insbesondere in punkto Passrush Moves) noch jede Menge aufzuholen. Ich bleibe daher etwas skeptisch. Die Panthers haben sich entschlossen, auf die enorme athletische Upside zu wetten. Kann sich natürlich auszahlen. Time will tell.

Daniel Humburg: Sind Zach Charbonnet und Kenneth Walker unterschiedlich, aber auch gleichzeitig ähnlich genug, um ein unausrechenbares Backfield darzustellen? Wie passt McIntosh in diese Paarung hinein?

Ich hätte zwar keinen zweiten so hohen Pick auf einen RB verwendet, allein da ich von Kenneth Walker nach wie vor extrem viel halte, aber wenn schon, dann ist Zach Charbonnet die korrekte Wahl gewesen. Es gibt halt diese klassischen „Thunder and Lightning“-Backfields mit einem dezidierten Power Runner und einem Scatback, doch wie du schon richtig angemerkt hast, braucht es das gar nicht unbedingt. Die Runner müssen nicht zwangsläufig radikal verschieden sein, sondern einfach unterschiedliche Skillsets mitbringen, die es Defenses schwer machen sich darauf einzustellen. Ich glaube, dass Charbonnet diesbezüglich eine wirklich gute Ergänzung zu Walker sein kann. Beide sind gute Inside Runner mit hervorragender Vision, Walker bringt diese enorme Quickness und top Moves mit, Charbonnet stärker ein north-south Element (obwohl ich sein subtiles Footwork für einen bigger Back wirklich schätze, da er damit Tacklern kein leichtes Target bietet). Beide haben auf unterschiedliche Arten sehr gute Contact Balance. Die Bereiche, in denen Charbonnet gegenüber Walker eine substanzielle Verbesserung darstellt, sind das Receiving Game und das Passblocking. Kein spektakulärer Passcatcher, aber einer, der die RB Routes sicher fängt und zu soliden Yards verarbeitet. Zudem einer der besseren Passblocker der Klasse; dieser Bereich kam recht natürlich zu ihm (so sah er deswegen bereits als true Freshman bei Michigan früh das Feld – sehr ungewöhnlich!).

McIntosh war meiner Ansicht nach richtig dickes Value in Runde 7. Als purer Runner meiner Ansicht nach eindeutig weniger talentiert als Walker und Charbonnet, dafür schlicht einer der besten Receiving Backs der Klasse: sowohl aus dem Backfield als auch im Slot und teilweise split-out. Hat Erfahrung mit echten Receiver-Routen, zudem bombensichere Hände, starke Körperkontrolle am catch point (selbst bei tieferen und/oder ungenauen Pässen) und einige YAC (drei Jahre in Folge über 11 Yards/Catch). Und ein vergleichsweise guter Passblocker (da habt ihr neben Bijan zwei der Top Guys eingesammelt, wobei alle College-RBs da einen gewissen Nachholbedarf haben). McIntosh sehe ich als einen deutlich besseren 3rd down Back als eure Kandidaten der letzten Jahre (Homer, Dallas und wer sich da sonst noch alles versuchen durfte).

Wenn wir mal die Notwendigkeit des Charbonnet-Picks ausklammern, sieht das nach einem enorm talentierten Backfield aus, das auf Jahre eine Menge Spaß bereiten sollte. Aber wahrscheinlich wird nächste Draft dann wieder früh nachgelegt…

Julian: Falls Jack Colletto den Roster Cut übersteht, in welcher Rolle könntest du ihn bei den 49ers sehen?

Langweilige Antwort, aber ich denke, Jack Colletto ist der klassische Kandidat, der sich erst einmal über die Special Teams beweisen muss. Sagt man zwar zu allen late Roundern und UDFAs, bei ihm passt es halt besonders, weil er über extensive Erfahrung in diesem Bereich verfügt – und zwar in beiden Return-Units und in beiden Coverage-Units über mehrere Saisons. Das kann durchaus viel wert sein. Darüber hinaus sehe ich ihn eindeutig eher in der Offense als in der Defense, wie ich bereit im Sleeper-Beitrag ausgeführt habe: in einer Art FB/H-Back-Rolle aus dem Backfield. Das passt ja insofern ganz gut, weil die 49ers eines der wenigen Teams sind, die für einen solchen Spielertyp (athletischer und variabler Vorblocker & Pass Catcher) noch eine dezidierte Verwendung haben. Und auch wenn er sicher nicht so schnell Kyle Juszczyk ersetzen wird können, weiß man in San Francisco besonders gut, dass man für alle Eventualitäten gewappnet sein sollte. Ich traue Colletto jedenfalls durchaus eine solide NFL-Karriere zu.

Philipp: Kannst du etwas positives an Cameron Latu finden?

Ich kann an jedem Draftpick etwas Positives finden, letztlich sind das alles (inklusive der UDFAs) die allerbesten bzw. am meisten geeigneten College-Spieler ihrer Jahrgänge. Gibt allein so viele fantastische und einflussreiche Spieler, die weder gedraftet wurden noch eine echte Chance als UDFA erhalten haben. Das hat allerdings nichts damit zu tun, dass ich nicht ganz nachvollziehen kann, warum die 49ers Cameron Latu in der dritten Runde gedraftet haben. Er ist für mich ein grundsolider TE mit leichten Limitationen in Size und Athletik, der solide Routen läuft, von eins, zwei Konzentrationsdrops abgesehen sichere Hände hat und ein beständiges Target underneath bietet. Als Blocker allein aufgrund seiner Masse nicht überragend, eher serviceable dank vernünftiger Technik. Alles im Rahmen, aber nichts, was große Upside verspricht (sei es im vertikalen Passspiel, mit dem Ball in der Hand o.ä.). Ich gehe davon aus, dass Latu seine Rolle bekommen und zuverlässig performen wird, ich weiß nur nicht, wieviel Unterschied er machen kann. Dafür ist mir die dritte Runde einfach etwas zu optimistisch.

Luca.cs: Wie siehst du den Rams Draft? mMn sehr viele later round gems dabei mit Nacua, THT [Tre’Vius Hodges-Tomlinson] und Hampton.

Wie ich im Aufruf zum Mailbag nachschob, würde ich ungern ganze Draftklassen bewerten, da das sehr viel Aufwand bedeutet und notwendigerweise die Beschäftigung mit anderen Fragen hintenanstellen würde. Daher gehe ich jetzt nur auf die late Rounder ein. Da haben die Rams meiner Ansicht nach einige sehr interessante Spieler ins Boot geholt, die ich teilweise deutlich höher gegradet habe. Bei den von dir genannten trifft das insbesondere auf WR Puka Nacua und EDGE/OLB Nick Hampton zu. Bei Nacua kopiere ich einfach meinen Kommentar aus dem Sleeper-Beitrag:

WR Puka Nacua (BYU, Senior, 6’2, 201): Possession WR, der lange unter dem Radar lief, aber wegen seiner Leistungen im Senior Bowl auf einigen Notizzetteln gelandet ist. Athletisch eher durchschnittlich, aber nuanciertes Route Running mit feinem Footwork. Gewinnt mit dem Setup des DBs und seinen variablen Releases und Stems, da er nicht den Burst und Speed für athletisch bedingte Separation hat. Vor allem aber brilliert er am catch point: Hervorragende Körperkontrolle, zuverlässiges Ball Tracking, sichert sich Bälle unter großem Druck, insgesamt ausgereift und stark in contested Catch-Situationen. Starke, sichere Hände. Hat leider eine ausgiebige Verletzungsgeschichte, aber wenn fit, ein underrated Talent. Könnte 5th/6th gehen, ich sehe sein Tape sogar noch etwas positiver.

https://tripleoptionblog.wordpress.com/2023/04/27/deeper-sleeper-2023/

Von Hampton bin ich ein großer Fan, der war für mich ein Day 2-Prospect gewesen. War bei App State ein enorm produktiver EDGE in der 3-3-5 Defense. Richtig guter Getoff und raumgreifende erste Schritte, mit dem er den OT sofort unter Druck setzen kann (der explosive Antritt ist übrigens etwas, auf das die Rams bei ihrem Versuch, Passrush abseits von Aaron Donald zu finden, sehr viel Wert gelegt haben: Gilt ebenfalls für 2nd round EDGE Byron Young und 3rd round DT Kobie Turner). Hampton kommt als outside Rusher gut um die Ecke mit Bend und Balance, kann sich sehr schmal machen und über dem Boden durchrutschen, womit er wenig Angriffsfläche bietet. Setzt seine Arme gut ein, um den Weg zum QB zu flatten, beherrscht schnelle Richtungswechsel, wird dadurch nur selten zu weit rausgetragen. Zudem schon gutes Arsenal an Passrush-Moves (auch die Power Moves wie Speed to Power oder Stab). Erkennt den Play Flow schnell und kann darauf reagieren, dazu kommt ein top closing Burst. Ist halt klar undersized, daher nicht für jede Defense und jedes Alignment geeignet, aber womöglich kann man ihn zu einem EDGE/Off Ball-Tweener entwickeln?

Tre’Vius Hodges-Tomlinson war ein herausragender College-Corner, bei ich sehe ich jedoch ein paar größere Fragezeichen, die er bewältigen muss. Seine miniaturige Size und Armlänge bedeuten einen sofortigen Wechsel in den Slot, und ich weiß nicht, ob man ihm dadurch nicht ein paar seiner Stärken nimmt. Ich liebe sein Footwork mit dieser extrem hohen Kadenz, die ihm sofortige Reaktionen in jede Richtung erlaubt, seine Schnelligkeit und Wendigkeit, aber er übertreibt es mit der Aggressivität doch deutlich. Seine ständigen Griffe ans Jersey oder die Pads des Gegenspielers (die er gar nicht mal unbedingt nötig hätte) werden in der NFL zu deutlich mehr Flaggen führen. Fun player, keine Frage, doch daran muss er erst einmal arbeiten, bevor er eine größere Rolle einnehmen kann.

Auch sonst gefiel mir der dritte Tag der Rams ziemlich: OT Warren McClendon ist meiner Ansicht nach underrated, TE Davis Allen ist ein netter Flyer für einen vertikalen/Seam Receiving TE, das Risiko bei dem zweifellos talentierten Slasher-RB Zach Evans hält sich Ende der sechsten Runde in sehr engen Grenzen, und vielleicht kann man Ballhawk S Jason Taylor die Tendenzen zum Gambling aufs Big Play etwas abgewöhnen? Zu Mr. Irrevelant Desjuan Johnson komme ich später noch. Lediglich den derart frühen Pick von QB Stetson Bennett hätte man eventuell anders verwenden (bzw. die Wahl von Bennett auf später verschieben) sollen.

Prospects ohne direkten Teambezug / Vorschau auf Rookie-Saison

Weezle: Welche Rookies, keine QBs, werden in der kommenden Saison direkt Impact haben und vielleicht sogar von Beginn an starten?

nikl: Welche Rookies werden deiner Meinung nach den größten Impact in Jahr 1 haben? Und hast du Favoriten für OROY/ DROY?

Die beiden Fragen beantworte ich mal in einem Text.

Erfahrungsgemäß gibt es schlicht zu viele Rookies, die Impact haben werden und/oder starten, um sie hier aufzulisten. Davon abgesehen bin ich nicht besonders gut im Spekulieren, was vielleicht auch daran liegt, dass ich die NFL-Roster nicht so gut kenne, um beurteilen zu können, wie weit der Weg zum Starter für jeden der Draftpicks ist.

Natürlich wird gerade von den höheren 1st round-Picks ein schneller Impact erwartet: Ich würde mich sehr wundern, wenn etwa Will Anderson, Devon Witherspoon, Tyree Wilson oder Christian Gonzalez nicht sofort auf sich aufmerksam machen würden. Bei den beiden hochgelobten Eagles-Picks Jalen Carter und Nolan Smith würde ich dagegen erst einmal abwarten wollen, weil die erstens in ein vollgepacktes Roster kommen und die Eagles bekannt dafür sind, ihre Rookies langsam eingrooven zu lassen (gerade in der Defense) – ähnlich übrigens wie die Packers mit Lukas Van Ness.

Die O-Liner der ersten Hälfte der ersten Runde haben sicherlich allesamt gute Chancen, schnell relevante Spielzeit zu sehen, obwohl das bei dem einen oder anderen womöglich mit Growing Pains verbunden sein dürfte. Lustigerweise sehe ich den sofortigen Impact der – auch von mir – kritisierten 1st round Picks der Lions als eher groß an. Jahmyr Gibbs wird sofort eine prominente Rolle erhalten, Jack Campbell könnte gar direkt starten. Ähnliches wird sicherlich von Bijan Robinson erwartet. Ihr seht, allein in den ersten 20 Picks der ersten Runde finden sich so einige Kandidaten – und das werden bei Weitem nicht die einzigen sein.

Zu den Awards: Als Offensive Rookie of the Year sehe ich am ehesten einen der Quarterbacks, der recht früh einschlägt. Mein Geld würde hier am ehesten bei Bryce Young liegen, doch haben natürlich auch C.J. Stroud und (in etwas geringerem Maße) Anthony Richardson ihre Chance. Falls keiner der Quarterbacks nachhaltig auf sich aufmerksam macht, wäre Bijan Robinson sicherlich ein Kandidat – und vielleicht schießt ja einer der vier 1st round Receiver sofort empor?

Für den Defensive Rookie of the Year sehe ich die D-Liner ein wenig im Vorteil gegenüber den Cornerbacks (oder allgemeiner: die Front-Spieler gegenüber den Defensive Backs), da sie mit Big Plays öfter im Rampenlicht stehen können. Favoriten werden sicherlich Will Anderson und Tyree Wilson sein. Jalen Carter könnte da hinzustoßen, doch das hängt wie gesagt von der Spielzeit ab.

Bei beiden Auszeichnungen ist übrigens sehr wahrscheinlich, dass es einen Spieler aus der ersten Runde treffen wird, in der Defense noch einmal mehr als in der Offense. In den vergangenen 15 Jahren gab es insgesamt nur vier Offensive bzw. Defensive Rookies of the Year, die keine 1st round Picks waren: RB Eddie Lacy (2nd), QB Dak Prescott (4th), RB Alvin Kamara (3rd) und LB Shaquille Leonard (2nd). Also, für geeignete Kandidaten sich einfach noch einmal die erste Runde genauer betrachten…

Marvin: Was sind für dich die absoluten Steals im diesjährigen Draft?

Ich tue mich mit dem Begriff Steals traditionell ein wenig schwer (wenngleich ich ihn gelegentlich verwende), weil der – ähnlich wie der Komplementärbegriff Reach – meist nur eine Diskrepanz zum konsensualen Big Board ausdrückt oder ansonsten zum eigenen. Weil ersteres aber zu langweilig ist, liste ich mal Runde für Runde die zwei oder drei Picks auf, die meinem Board nach den größten Value dargestellt haben. In den späteren Runden finden sich notgedrungen mehr solcher Spieler (weil einige der höher eingeschätzten Prospects nun einmal fallen), daher habe ich nach den Top-Valuepicks ein paar weitere ergänzt. Kann gut sein, dass ich einen oder zwei vergessen habe.

Ganz wichtig: Das sind nicht unbedingt meine Lieblingspicks in den jeweiligen Runden, da kommen noch ein paar Faktoren mehr hinzu.

Also:

1st round: DT Jalen Carter (Eagles), EDGE Nolan Smith (Eagles), DE Myles Murphy (Bengals)

2ndround: OG O’Cyrus Torrence (Bills), C John Michael Schmitz (Giants), EDGE B.J. Ojulari (Cardinals)

3rd round: WR Josh Downs (Colts), TE Darnell Washington (Steelers, mit Verletzungsfragezeichen, daher unter Vorbehalt)

4th round: CB Clark Phillips (Falcons), OT Dawand Jones (Browns, mit Verletzungsfragezeichen, daher unter Vorbehalt)

5th round: CB Darius Rush (Colts), EDGE Nick Hampton (Rams), RB Eric Gray (Giants), dazu noch C Olu Oluwatimi (Seahawks), CB Terell Smith (Bears), LB Henry To’o To’o (Texans)

6th round: DL Karl Brooks (Packers), WR A.T. Perry (Saints), WR Xavier Hutchinson (Texans), dazu noch WR Trey Palmer (Bucs), WR Kayshon Boutte (Patriots), OT Jaelyn Duncan (Titans)

Uuund in der siebten Runde…

Luca: Größter Steal in der 7.Runde und warum ist es Cory Trice?

Gut, dass die Antwort schon vorgegeben ist. Im Ernst, Cory Trice (Steelers) ist einer von drei 7th round Picks, die ich noch im Bereich des späten zweiten Tages hatte. Die anderen beiden: DT Moro Ojomo (Eagles) und RB DeWayne McBride (Vikings). Bei Trice ist der Fall in die siebte Runde für mich wohl am überraschendsten, da Ojomo (keine ganz klare Positions-Projection, überschaubare Produktion im interior Passrush) und McBride (reiner Runner ohne Receiving- und Blocking-Skills) ein paar mehr Fragezeichen mitbringen, mit denen sich ein Slide zumindest ansatzweise erklären lässt. Bei Trice ist dagegen recht klar, was man bekommt: einen sehr langen prototypischen Press-Corner, der vielleicht nie die größten technischen Fertigkeiten mitbringen wird, dafür Receiver und ihre Routes an der Line of Scrimmage killen kann und erstaunlich wendig für seine Size ist. Vielleicht haben die Verletzungen eine Rolle gespielt, aber mal ehrlich, er passt auch schematisch exzellent in einen CB-Room mit Patrick Peterson und Joey Porter. Für mich in jeder Hinsicht einer der besten Picks des dritten Tages.

Der Vollständigkeit halber führe ich noch die weiteren Kandidaten an, die in der 7th round besonderes Value darstellen: TE Zack Kuntz (Jets), RB Kenny McIntosh (Seahawks).

SebvonHo: Welche Landingsspots der WR (abgesehen von der ersten Runde) findest du am besten?

Ich nenne mal drei, die mir da besonders ins Auge stechen, ohne dass das zwangsläufig meine größten Valuepicks unter den Receivern sind (Spoiler: Sind sie nicht.)

WR Rashee Rice (Chiefs): Langweilig, da ich das gleiche ja bereits letztes Jahr bei Skyy Moore anführte. Dennoch denke ich, dass Rice das WR-Corps der Chiefs wirklich sinnvoll ergänzen kann. Ich mag seine Routes mehr als andere, er kann sich regelmäßig den einen Schritt Separation erarbeiten, und mehr benötigt Patrick Mahomes ja auch nicht. Und selbst wenn nicht, helfen seine starken Hände und Skills am catch point. Mit seiner allgemeinen Physis, die sich gerade im Blocking und in seinem Spielstil after Catch zeigt, ist er auf dem Papier ein vielversprechender Ersatz für die Rolle, die letzte Saison JuJu Smith-Schuster eingenommen hat.

WR Marvin Mims (Broncos): Fast selbsterklärend, oder? Einer der profiliertesten deep threats im College Football kommt zu Russell Wilson, der wie wohl kein anderer aktueller Quarterback die tiefen Bälle präferiert. Mims ist vor allem deutlich mehr als nur ein Speedster. Er mag nicht den kompletten Route Tree nuanciert beherrschen, aber brilliert neben dem Speed im Ball Tracking, mit seiner exzellenten Körperkontrolle und mit unterschätzten Sideline-Skills, die solch dürre WR-Typen nicht unbedingt aufweisen. Seine Highlights nach Scramble-Drills waren beeindruckend und müssten eigentlich genau zu dem passen, was Wilson auszeichnet. Ziemliches match made in heaven – wenn Wilson denn seine Form zurückerlangt.

WR Jalin Hyatt (Giants): Die Giants hatten nicht unbedingt ein schlechtes Receiving-Corps, nur halt eines, dem jegliche vertikale Gefahr abging. Enter Hyatt, der genau dieses Element wie kaum ein anderer beherrscht. Ist er noch roh im Route Running und im Footwork? Keine Frage. Aber er bringt nicht nur Top-Speed mit, sondern ist in Sachen Positionierung zum tiefen Ball und Ball Tracking plus vertikale Catch-Skills (etwa: over the shoulder catches!) vielleicht der beste Spieler dieser Klasse. Genau diesen Typen benötigen Daniel Jones und das Offense Scheme dringend. Allein seine Anwesenheit sollte underneath Lücken für Spieler wie Wan’Dale Robinson, Parris Campbell oder auch Possession WR Isaiah Hodgins schaffen.

Szabty: Wie zufrieden bist du mit den Landingspots deiner Cornhuskers?

In der Draft waren es ja nur zwei mit EDGE Ochaun Mathis und WR Trey Palmer, und beide waren ja nur eine Saison bei den Huskers, sind mir also nicht über Gebühr ans Herz gewachsen. Mathis war – gemessen am überbordenden Hype – in Lincoln schon eine kleine Enttäuschung, über Palmer als einer der größten Big Play-Threats, die ich je in scarlet&cream erleben durfte, habe ich ja bereits geschrieben.

Auch wenn Mathis zwei Spots vor Palmer gedraftet wurde, betrachte ich Palmers Ausblick bei den Buccaneers deutlich rosiger. Hinter Mike Evans, Chris Godwin und Russell Gage klafft doch eine beträchtliche Lücke, so dass ich seine Chancen gar nicht so schlecht einschätze. Nicht umsonst haben die Bucs ja noch drei weitere UDFA-Receiver unter Vertrag genommen (unter anderem Rakim Jarrett, der ja von vielen als Draftpick erwartet worden war). Hauptkonkurrent wird aber wohl der letztjährige UDFA Deven Thompkins sein, da der nach dem Abgang von Jaelon Darden die Returns übernommen hat (nur letztlich von der Size her absolut Borderline für die NFL ist). Ich würde darauf setzen, dass Palmer – obwohl 6th rounder – schon in seiner Rookie-Saison einige Einsätze sieht.

Mathis hat deutlich mehr Konkurrenz, da die Rams – wie oben angerissen – offenbar Wert darauf gelegt haben, den Passrush abseits von Aaron Donald verbessern zu wollen: Die Picks von EDGE Byron Young (2nd), penetrating 3-tech DT Kobie Turner (3rd), EDGE/OLB Nick Hampton (5th), penetrating 3-tech DT Desjuan Johnson (7th) und eben Mathis (6th) sprechen da eine deutliche Sprache. Mathis hat also allein unter den Rookies gehörige Konkurrenz, und ich bin mir nicht ganz sicher, ob er nun endlich seine hervorragenden athletischen Anlagen entsprechend aufs Feld bringen wird. Zudem habe ich leichte Scheme-Fragezeichen: Die Rams spielen eine 3-4, in die er meiner Ansicht nach nicht ganz so gut reinpasst wie als DE in einer 4-3 (die Huskers haben ihre Front u.a. wegen ihm vor der Saison gewechselt). Ist er im Raum beweglich genug für eine der OLB-Positionen? Wir werden es herausfinden…

Unter den UDFAs würde ich ehrlich gesagt lediglich EDGE Garrett Nelson eine Überraschung zutrauen, doch auch der ist in einer 3-4 gelandet (was immerhin seine geringe Armlänge eventuell etwas kaschieren könnte), aber ob er da wirklich genug Twitch mitbringt? War eher der Typ athletisch limitierter Powerrusher mit sensationellem all-out Effort.

Benhard Gruber: Welchem gedrafteten (oder auch UDFA) Spieler aus der MAC traust du den größten Impact (kurz- und langfristig) in der NFL (auch in Bezug auf den entsprechenden Team-Fit) zu?

Es wäre leicht, hier mit OG Sidy Sow (EMU, nun Patriots) zu gehen, da der mit Abstand am höchsten gedraftet wurde, ich entscheide mich jedoch für zwei andere Spieler: 1) DL Karl Brooks (Bowling Green, nun Packers): zum einen, weil er meiner Ansicht nach viel zu weit gefallen ist. Ja, er hat athletische Limitationen und kurze Arme, aber ein so volles Arsenal an Passrush Moves wie kein anderer D-Liner der late Rounds (und das nicht einmal knapp) und kann auf so vielen unterschiedlichen Wegen zum Erfolg kommen (insbesondere seine tödlichen inside Moves sind immer zu beachten). Zum anderen, weil er in diese schwere, hybride Packers-Front, die gerne mit Tweenern spielt, hervorragend reinpasst. 2) DT Desjuan Johnson (Toledo, nun Rams): Mr. Irrelevant ist für mich einfach extrem underrated. Der Getoff, der upfield Burst, die laterale Quickness, der schnelle und zielgerichtete Handeinsatz – Johnson ist nicht umsonst über Jahre ein Dauergast in gegnerischen Backfields gewesen. Ich hätte ihn eigentlich gerne in einer klassischen 4-3 als 3-tech gesehen, aber die Chance, als quick undersized DT ausgerechnet von Aaron Donald zu lernen? Nice! Johnson wird sicherlich nicht schnell auf viele Snaps in der Defense kommen. Dennoch bin ich bei ihm mittelfristig doch recht positiv eingestellt.

Gute Chancen rechne ich zudem EDGE Jose Ramirez (EMU, nun Bucs) aus, der wiederum von dem System von HC Todd Bowles profitieren dürfte. Spielte bei den Eagles meist als DE in einer 3-3-5/4-2-5 Hybrid, er sollte als eher undersized Rusher mit seiner Quickness und seinem variablen Passrush Moves als 3-4 OLB vielleicht noch besser zum Zuge kommen. Den von mir noch höher eingeschätzten EDGE Thomas Incoom (CMU, nun Broncos) hätte ich dagegen unbedingt in einer klassischen 4-3 Defense erwartet. Schätze seine Aussichten daher als geringer ein. Hoffen tue ich darüber hinaus auf meinen Crush-RB Lew Nichols (CMU, nun Packers), aber da wird es mit baldigen Einsatzzeiten ebenfalls schwer.

Matthias Dörfer: Meinst du die beiden Deutschen [Kilian Zierer & Lorenz Metz] schaffen es in einen 53-Mann Kader ?

Glaube ich nicht unbedingt, zumindest nicht zu Beginn ihrer Rookie-Saison. Die Chancen von OT Kilian Zierer (Texans) schätze ich für etwas größer ein: Er benötigt noch eine Menge technischen Feinschliff, muss seine Unterkörper-Oberkörper-Koordination verbessern und braucht vielleicht noch ein Jahr ausgiebigen Kraftraum-Besuch, aber diese überragende Länge (über 83er Wingspan, mehr als die Top-OTs abseits von Paris Johnson und Dawand Jones) verbunden mit der Athletik und Quickness kann man halt schwer trainieren. Ein typischer Kandidat für die Practice Squad, den man da ein Jahr (oder vielleicht auch kürzer, je nach Fortschritten und Verletzungssituation im Kader) entwickelt.

OG Lorenz Metz (Bears) hat in der mauen O-Line der Bears womöglich etwas weniger Konkurrenz, aber benötigt womöglich noch ein wenig mehr Gewöhnungszeit an die NFL. Metz ist ein absoluter Riese mit 6‘9 (damit glaube ich der größte O-Liner dieser Klasse und einer der größten in der NFL), 316 Pounds und langen 34 ¼ Armen. Sicher kein Bewegungsmonster und wird seine gesamte Karriere lang Probleme mit hohem Pad Level und Leverage haben (zu Beginn bei Cincinnati als OT wirkte er doch etwas stiff und gelegentlich am Overextenden, daher eventuell auch der Wechsel nach innen), aber er ist natürlich eine massive Präsenz mit enormer Power im Oberkörper, richtig starken Händen bzw. Punches und seiner großen Reichweite. Mal schauen…

Bayerniner295: Deine top 5 day 3 + UDFA Rankings (so far).

Ich vermute mal du meinst Teams und nicht Spieler? Für die UDFA habe ich das im ersten Teil des Beitrags schon ausführlich behandelt (siehe hier): Rang 1 geht an die Dallas Cowboys (Dauergast in den Top 3, was UDFAs betrifft), die nächsten Plätze an Seattle, Minnesota, Carolina und Philadelphia. Mir haben die UDFA-Klassen der NFC also schon deutlich besser gefallen als diejenigen der AFC.

Bei den Day 3-Picks hatte ich im erwähnten ersten Teil schon die Green Bay Packers und die New Orleans Saints gekürt und ergänze diese Liste gerne um drei weitere Teams, was allerdings gerade in diesen Bereichen der Draft besonders subjektiv ist und oft auch schlicht mit der Menge an Picks zusammenhängen kann, wenngleich nicht muss (siehe Saints):

  • Los Angeles Rams (vgl. genauere Ausführungen weiter oben) unter anderem mit OT Warren McClendon, EDGE Nick Hampton, TE Davis Allen, WR Puka Nacua, CB Tre’Vius Hodges-Tomlinson, RB Zach Evans, S Jason Taylor und DT Desjuan Johnson. Ja, die Rams hatten gleich elf Day 3-Picks, und natürlich werden nicht alle dieser Spieler einschlagen, aber da ist schon einiges Potenzial vorhanden.
  • Cleveland Browns: Ist langweilig sie erneut zu erwähnen, nur wenn du aus einem dritten Tag mit OT Dawand Jones, EDGE Isaiah McGuire, QB Dorian Thompson-Robinson, CB Cameron Mitchell und C Luke Wypler rausgehst und mit eigentlich jedem Pick auf dem Papier richtig gutes Value einsackst, dann verdienst du es, in dieser Liste aufzutauchen.
  • Indianapolis Colts: Noch einmal echte Day 3-Valuejäger: OT Blake Freeland sowie insbesondere DL Adetomiwa Adebawore und CB Darius Rush wurden eigentlich am zweiten Tag erwartet, dazu kamen unter anderem noch Receiving-TE Will Mallory, 3rd down Back Evan Hull, top Scheme-Fit CB Jaylon Jones und der mega athletische Developmental OT Jake Witt? Nehm ich an jedem Tag.

Weitere Day 3-Klassen, die ich mag: Eagles (haha ja klar, trotz nur drei Picks, aber wenn das CB Kelee Ringo, QB Tanner McKee und DT Moro Ojomo sind), Steelers (trotz nur drei Picks, allein EDGE Nick Herbig und CB Cory Trice reichen aus), Panthers (trotz nur zwei Picks, aber Chandler Zavala und Jammie Robinson sind nettes Value), Cardinals (u.a. OG Jon Gaines, QB Clayton Tune, LB Owen Pappoe, CB Kei’Trel Clark), Buccaneers (u.a. LB SirVocea Dennis, TE Payne Durham, WR Trey Palmer, EDGE Jose Ramirez), Texans (fast mehr Value als an Day 2 eingesammelt mit u.a. LB Henry To’o To’o, C Jarrett Patterson und WR Xavier Hutchinson).

Doch wie so oft wird es alles ganz anders kommen…

wayne: Welches Team hat in der Gesamtschau die besten Namen gezogen?

Die würdige Frage zum Abschluss, die ich leider nicht so richtig gut beantworten kann. Viele der Namen meines All-Name Teams wurden nicht gedraftet oder als UDFA unter Vertrag genommen:

Die Teams haben sich insgesamt viel zu wenig Mühe gegeben, die besten Namen zu picken, das muss durchaus negativ angemerkt werden. Nächste Saison bitte etwas mehr Konsequenz.

Auch wenn da ein paar der bekannteren Prospects drunter sind und daher der Überraschungseffekt eher gering ausfällt, fällt meine Wahl auf die

Tampa Bay Buccaneers: DT Calijah Kancey, OL Cody Mauch, LB SirVocea Dennis, TE Payne Durham, OL Silas Dzansi, LB Brandon Bouyer-Randle (muss da noch jemand sofort an Davoin Shower-Handel aus Key & Peele denken?).

Weitere Teams, die zumindest ein wenig darauf geachtet haben (hier ebenfalls inklusive der bekannten Namen):

Baltimore Ravens: CB Kyu Blu Kelly, OL Malaesala Aumavae-Laulu, DT Kai Caesar.

Miami Dolphins: DE Mitchell Agude (für die Hessen unter uns), LB Ezekiel Vandenburgh, OT Jarrett Horst.

Indianapolis Colts: DL Adetomiwa Adebawore, DE Titus Leo, OT Harris LaChance, RB Titus Swen.

Las Vegas Raiders: TE Michael Mayer, DT Nesta Jade Silvera, OL McClendon Curtis, TE John Samuel Shenker, CB Azizi Hearn.

Dallas Cowboys: TE Luke Schoonmaker, LB DeMarvion Overshown, FB Hunter Luepke, EDGE Isaiah Land, TE Princeton Fant.

New York Giants: C John Michael Schmitz, QB Tommy DeVito, DE Habakkuk Baldonado.

Du siehst: Hält sich leider alles in engen Grenzen.

Zukünftiges

Soweit die Draft Coverage für die Saison 2023, die mit diesen Zeilen offiziell endet. Wenngleich längst nicht alles nach meinem Geschmack gelaufen ist und ich am Ende doch ziemlich durch die Positionsgruppen rushen musste, worunter auch die Aktivitäten hier auf dem Blog merklich gelitten haben, hoffe ich, dass euch das alles dennoch ansatzweise gefallen hat. Wie immer gilt: Ich höre nicht nur gerne Lob, sondern auch gerne Kritik. Gerade da der Austausch mit der Leserschaft hier höchstens suboptimal funktioniert, nehme ich aus eurem Feedback sehr viel mit, was ich dann künftig während der College Football-Saison oder in der Draftzeit bedenken und berücksichtigen werde.

A propos künftig: Wie gewohnt wird dieser Blog in den kommenden Wochen und Monaten seine Pforten schließen. Diese Zeit benötige ich jedes Jahr dringend, um die Football-spezifischen Akkus wieder ein wenig aufzuladen.

Dieses Mal wird allerdings noch hinzukommen, dass ich mir seit längerem ausgiebige Gedanken um die Ausrichtung und Zukunft des Blogs mache (was ich ja auch schon mehrfach angedeutet habe). Im vergangenen Jahr bemerkte ich immer öfter Unlust, die üblichen Previews zu verfassen, und das ist alles andere als ein gutes Zeichen. Unabhängig davon gab es auch bei euch insgesamt weniger Bereitschaft, dem Blog einen wöchentlichen Besuch abzustatten. Ich fühlte, dass ich schneller ausgebrannt bin, und verspürte bei den Artikeln abseits des üblichen Rhythmus (bspw. dem Hall of Fame-Beitrag, der ungewöhnlichen Super Bowl-Vorschau etc.) deutlich mehr Motivation als beim ‚Tagesgeschäft‘. Sicherlich nicht komplett ungewöhnlich, doch ist die Diskrepanz dazwischen deutlich gestiegen.

Noch stärker genervt war ich zugegebenermaßen von der Pre-Draft-Zeit, was wohlgemerkt vor allem mein persönliches Problem und nicht die Schuld oder Verantwortung von irgendjemand anderem ist. Nur ertrinkt die Community mittlerweile in einer Vielzahl von – zudem meist noch extrem früh verfassten – Statements und Meinungen, teilweise nicht besonders fundiert, teilweise sehr fluide und wechselhaft. Das ist ein Spiel, das ich nicht gewillt bin mitzuspielen. Sollte sich diese Tendenz verstärken, werde ich künftig im Vergleich mit meinen Draftbeiträgen noch später dran sein. Ob diese dann überhaupt noch auf Interesse stoßen? Und ob darin auch einer der Gründe für die geringeren Zugriffszahlen auf den Blog liegt? Ich weiß es nicht. Ich will und werde den Blog weiterhin nicht von Klicks abhängig machen. Ein wenig nachdenklich macht das dennoch.

Zudem – das sollte nicht unerwähnt bleiben – gibt es mittlerweile im Vergleich zu vor fünf oder selbst vor drei Jahren eine riesige Menge von wirklich guten deutschsprachigen Projekten, sei es in Podcasts, bei Twitter oder sonstwo. Von daher sollte ich vielleicht auch langsam lernen zu verinnerlichen, mir nicht mehr den inneren Druck aufzuhalsen, mich in irgendeiner Form für den College-Content hier verantwortlich zu fühlen. Das war womöglich früher einmal so, doch die Zeiten haben sich – glücklicherweise – geändert.

Anyway, hierzu ebenfalls gerne Kommentare, Meinungen, Präferenzen und Verbesserungswünsche in die Kommentarspalte. Vielleicht tut ja eine Neuausrichtung dem Blog (sowie meiner Motivation) ganz gut, und da wären neben meiner Lust eben auch eure Vorschläge recht hilfreich.

Soweit erstmal.

Schöne Offseason euch allen!

2 Gedanken zu „Das große Draft Recap 2023 (II)

  1. Hey Jan,

    leider ist die Zeit fürs Lesen deiner Artikel nicht immer da, ich bin aber großer Fan deiner Werke als Nachschlagewerk.

    Wenn die Teams die ich näher verfolge neue junge Spieler holen, schaue ich immer nach, was du eventuell mal zu denen verfasst hast.

    Sehe ich einen Podcast, wo du als Gast aufgeführt bist, höre ich ihn bevorzugt, bevor ich darüber nachdenke, andere abzuspielen.

    Ich hoffe du behälst die Leidenschaft und die Energie, mit der du Jahr für Jahr die Collegesaison und die Draft aufbereitest.

    Beste grüße und gute Erholung im Footballlosen Sommer

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