Analyse Halbfinals & Vorschau Championship Game Alabama vs. Georgia

Da ich am Wochenende voraussichtlich keine Zeit aufbringen kann, gibt es das Preview zum National Championship Game zwischen Georgia und Alabama schon ein paar Tage früher – was allerdings auch bedeutet, dass kurzfristige Änderungen, Entwicklungen und Verletzungen nicht mehr berücksichtigt werden können. Zunächst sehe ich mich jedoch veranlasst, einen längeren Rückblick auf die Halbfinals zu werfen, insbesondere natürlich auf den „Thrilla in Pasadena“. Aber auch die magische Saison von UCF und ihr Sieg im Peach Bowl wird nicht übergangen, sondern am Ende des Postings noch einmal angemessen gewürdigt.

Rose Bowl: #3 Georgia – #2 Oklahoma 54-48 (2OT)

Highlights

Was für ein Spiel! Instant classic. Kaum jemand, der diesen Neujahrsabend vor dem Fernseher oder einem sonstigen Bildschirm verbracht hat, wird diesen Krimi so schnell vergessen. Warum es für mich trotzdem nicht eines der besten Spiele aller Zeiten war, lest ihr weiter unten. Zunächst aber mal ein paar Notizen zum Spiel selbst:

Die erste Halbzeit der Oklahoma Offense war eine der am besten gecallten Halbzeiten, die ich je gesehen habe. HC Lincoln Riley ließ der eigentlich starken Defense von Georgia keine Atempause und auch keinerlei Möglichkeit, sich mal zu ’settlen‘: immer wieder neue und ungewöhnliche Formationen (von Spread Out bis Diamond mit drei Backs im Backfield), ein überragender Mix aus Lauf- und Passspiel (sowie Lauf- und Pass-Konzepten) und – was gerne vergessen wird von den Taktikinteressierten – einfach auch eine hervorragende Execution von QB Baker Mayfield und Konsorten. Gerade zu Beginn gab die O-Line um den fantastischen LT Orlando Brown den Ton an: Die Bulldogs konnten keinerlei Art von Pressure generieren, was zusätzlich erschwert wurde durch Mayfields Entscheidungsfreudigkeit: Matchup erkannt und Ball raus, etwa immer wieder bei den Routes von FB Dimitri Flowers aus dem Backfield. Auch im Run Block überzeugte die Line mit einer Physis, die man üblichen Spread-Teams gerne mal abspricht. RB Rodney Anderson machte ein exzellentes Spiel aufgrund seiner Entschlossenheit und den Extrayards, die er in fast jeder Pile noch herausholte, aber er fand auch Lücken vor, mit denen er vor dem Spiel sicherlich so nicht gerechnet hätte. Der Sooners-Line gelang es ein ums andere Mal, Butkus-Award-Gewinner ILB Roquan Smith aus dem Weg zu räumen, worunter die Run-Defense doch merklich litt.

Einen wirklichen Vorwurf konnte ich der Bulldogs Defense nicht einmal machen. Natürlich gab es hier und da einen verpassten Tackle oder ein falsches Gap Assignment, aber eigentlich nicht mehr als bei jeder anderen (guten) Defense auch. Eine solche Offense konnte man kaum stoppen. Wer allerdings einen riesigen Vorwurf verdient, war die Offense der Bulldogs, genauer: ihr Playcalling. Dass man im ersten Drive auch gleich mal auf den Pass setzt, ist verständlich: Man versucht halt früh die Defense etwas auseinanderziehen (ob vertikal oder horizontal). Aber es war sehr schnell zu erkennen, dass die Sooners Defense mit dem Running von Nick Chubb und Sony Michel absolut überfordert war. Gerade die Linebacker um den unerfahrenen Fr. MLB Kenneth Murray entschieden sich immer wieder für die falsche Gap oder gingen ‚in traffic‘ verloren. Jeder zweite Lauf endete in einem Big Play. Und was macht Bulldogs OC Jim Chaney? Er callt einen Pass nach dem nächsten! Auch wenn QB Jake Fromm für einen true Freshman erstaunlich abgezockt agierte: Ich hätte wirklich beinahe in die Tischkante gebissen. Es ist übrigens nicht so, dass sich dies bis zum Ende (zumindest bis zur Overtime) wesentlich änderte. Um mal eine statistische Einordnung vorzunehmen:

Chubb & Michel: 25 Läufe für 326 Yards (Schnitt: 13,0) und 5 Touchdowns (ja, die Zahlen stimmen wirklich!)

Run/Pass-Ratio (nach Umlage der Sacks und Abzug des Kneeldowns): 31 Runs zu 31 Pässen.

Wenn man sich diese Werte anschaut, muss man beinahe zu dem Schluss kommen, dass das Spiel aus Georgias Sicht eigentlich niemals hätte knapp verlaufen dürfen.

Der erste entscheidende, aber sehr unterschätzte Schlüssel zur Aufholjagd der Bulldogs ereignete sich indes noch in der ersten Halbzeit. 6 Sekunden vor der Pause erzielten die Sooners durch einen Trick Pass auf Baker Mayfield das 31-14. Zudem würden sie in der zweiten Halbzeit zuerst den Ball erhalten. Game over also? Nein, die Sooners entscheiden sich für einen Squib Kick, der funktioniert noch nicht einmal richtig und die Bulldogs erhalten den Ball mit 6 Sekunden in der Sooners Hälfte. Ein kurzer Pass, ein langes FG und man ging ’nur‘ mit 14 Punkten Rückstand in die Pause. Psychologisch ein ganz, ganz wichtiges Erfolgserlebnis. Ich werde allerdings nie verstehen, warum sich Sqiub Kicks und Pooch Kicks immer noch so hartnäckig im Playbook von ST-Coaches halten. Bin da durch den „Music City Mistake“ sicherlich extrem biased, aber ich hätte sogar eher ins Aus gekickt. Alles, nur nicht das.

Zu dem Comeback in der zweiten Hälfte gehört natürlich noch mehr. Georgias HC Kirby Smart sagte im Halbzeit-Interview so schön: Wir müssen entweder den Lauf oder den Pass stoppen. Ich fand in dem Moment auffallend, dass er wirklich beide Optionen nannte. Im Preview formulierte ich ja die Frage, ob Smart angesichts von Mayfields Passfeuerwerk mehr als üblich Zone-Defense spielen wird. Die Antwort: Ja, in der ersten Halbzeit schon, allerdings ohne jeden Erfolg. Chris Brown von Smartfootball hat das in einer Twitter-Analyse schön aufgedröselt: Wenn es bei Nick Saban oder einem seiner Schüler (wie eben Smart) in der Defense wirklich mies läuft, stellen sie verstärkt auf Cover-1 um. Sprich: Ein single-high Safety tief als Absicherung und Man Coverage der CBs. Das ist deutlich risikoreicher, aber man kann vorne eben mehr Druck generieren, weil man einen Spieler mehr nahe der Line of Scrimmage hat. Zudem ist es so eher möglich, Mayfields bevorzugtes Target, TE Mark Andrews, in entscheidenden Situationen in Doppeldeckung zu nehmen (mit einem DB over the top für die gefährlichen tieferen Pässe auf ihn).

Und entsprechend spielten die Bulldogs in der zweiten Halbzeit auch: mehr Risiko, mehr Druck, mehr (unterschiedliche) Blitzes. Auch wenn sich später alles auf die beiden Linebacker ILB Smith sowie OLB Lorenzo Carter und ihre hervorragenden Leistungen konzentrierte, muss ich hier mindestens ebenso einen „unsung hero“ nennen: CB Deandre Baker. Der nahm Speedster-WR Hollywood Brown in enge Manndeckung und erlaubte so, dass die anderen DBs, insbesondere der starke S J.R. Reed und Aaron Davis, sich um TE Andrews kümmern konnten. Baker ist mit seiner Länge (ist nur mit 5’11 angegeben, scheint aber lange Arme und ein gutes Stellungsspiel zu haben), seinem Shielding an der Seitenline und auch seiner Physis ist ein Name, den man sich mal für eine der beiden nächsten Drafts merken sollte (je nachdem, ob er declart oder nicht). Schrieb es schon nach dem Auburn-Spiel: Viel zu wenig Buzz.

Zu dem Spiel gehört noch eine zweite Geschichte, nämlich das Playcalling von Lincoln Riley in der zweiten Halbzeit. Ich habe selten ein Spiel gesehen, bei dem ich so sehr das Gefühl hatte, dass der Playcaller „out of gas“ läuft und irgendwann keine vernünftigen Plays mehr auf dem Sheet hatte. Nach einer bitteren Interception von Mayfield Anfang des vierten Viertels, als er Andrews überwarf, den dahinter postierten FS Dominick Sanders traf und die Sooners dadurch 31-38 in Rückstand gerieten, wurde gefühlt doch sehr viel vorsichtiger agiert (die Interception war übrigens exakt das, was sich die Bulldogs von der Umstellung versprachen: Andrews war underneath durch einen Safety in der kurzen Mittelzone des Feldes gecovert und hatte einen Cornerback over the top, da hätte Mayfield eh niemals hinwerfen dürfen). Nach und nach nahm Riley den Ball aus Mayfield Händen: Zunächst callte er – mit mittlerem Erfolg – noch viele kurze Pässe, zum Ende des Spiels und insbesondere in der Overtime wurde es immer abstruser. Anstatt dann wenigstens den Ball in die Hände von RB Anderson zu geben, der auch in der zweiten Hälfte weiter konstant Yards erlief, kamen plötzlich ganz seltsam designte Plays gefühlt aus der letzten Ecke des Playbooks zum Vorschein: zunächst der Pseudo-Jet Sweep aus dem Backfield des zuvor überhaupt noch nicht eingesetzten WRs Jordan Smallwood bei 3rd and 2, den Roquan Smith aber mal sowas von im Ansatz unterbindet (Hit), und dann im zweiten Overtime-Drive eine Option (auch noch über die short side) mit Mayfield und seinem Backup Kyler Murray im Backfield. Ich bin etwas vorsichtiger als viele andere mit diesem beliebten „too cute“-Vorwurf, der immer nur dann ausgepackt wird, wenn etwas nicht gelingt. Natürlich war auch der erwähnte TD-Pass von WR CeeDee Lamb auf Mayfield kurz vor der Halbzeit an der Goal Line „too cute“. Aber am Ende hatte das Playcalling von Riley aus meiner Sicht schlicht überhaupt keinen Rhythmus und keine Richtung mehr.

Immerhin war es passend, dass Roquan Smith mit seinen harten Tackles (dem verlinkten gegen Smallwood und diesem gegen Anderson) sowie Sony Michel mit seinem Run aus der Wildcat das Spiel in der Overtime entschieden. Gerade für Michel wäre es nach einem herausragenden Spiel äußerst bitter gewesen, wenn sein Fumble-Six im vierten Viertel zum zwischenzeitlichen 38-45 die Niederlage der Bulldogs besiegelt hätte.

Nun noch kurz zu der historischen Einordnung: Viele haben ja gleich nach Ende des Spiels vom besten Rose Bowl aller Zeiten gesprochen. Ich sehe das aus folgenden Gründen etwas differenzierter:

1. Zunächst einmal versuche ich immer zwischen Spannung und Qualität zu trennen. Einer der spannendsten Rose Bowls aller Zeiten war dieses Duell zweifelsohne. Zu einem qualitativ guten Spiel gehört für mich elementar nun einmal auch die Defense (das unterscheidet für mich übrigens auch Football von Fußball). Ich kann durchaus mit vielen Punkten ‚leben‘, aber in diesem Spiel war eine Unit überhaupt nicht auf dem Platz, und zwar die Defense der Sooners. Deren Leistung gegen den Lauf war wirklich absolut grotesk. Die Zahlen von Chubb und Michel hatte ich ja oben bereits genannt. Im Internet machte zum ersten Touchdown-Run von Michel ein Bild die Runde von der Lücke, durch die er lief: Man hätte dort 9 Sony Michels untergekriegt. Nicht falsch verstehen, Chubb und Michel sind geniale Running Backs, und wer mich kennt oder etwas von mir gelesen hat, weiß, dass ich das nicht erst seit ein paar Wochen sage, aber solch ein günstiges Matchup hatten die beiden gefühlt ja nicht einmal gegen Mid-Major-Teams.

2. Wie ich oben bereits ausführte, war das Playcalling auf beiden Seiten teilweise abstrus schlecht. Diese Mängel haben zu einem absolut wilden und damit auch spektakulären Spiel beigetragen, aber das kann ich nicht grundständig positiv anrechnen.

3. Das Gedächtnis spielt einem da manchmal einen Streich, daher erinnert man sich besonders intensiv an das gerade Erlebte. Zur Erinnerung: Auch letztes Jahr nach dem „Comeback-Comeback“ von USC und Penn State schrieben viele den Bowl sofort in den Himmel als den möglicherweise besten Rose Bowl aller Zeiten. Es gab allein in diesem Jahrhundert schon so viele großartige Rose Bowls: Michigan vs. Texas mit Yince Young und Chad Henne, Oregon vs. Wisconsin, für Defensivliebhaber meinetwegen TCU vs. Wisconsin…

4. Texas vs. USC 2006. Vince Young vs. Matt Leinart & Reggie Bush. Nuff said.

 

Sugar Bowl: #4 Alabama vs. #1 Clemson 24-6

Highlights

Das Recap dieses Spiels fällt deutlich kürzer aus, fast so kurz wie der Prozess, den Alabamas Defense mit der Offense der Clemson Tigers machte. Die Depth auf Linebacker machte sich extrem bemerkbar: Von den Startern fehlt nur der (wohlgemerkt sehr wichtige) Shaun Dion Hamilton, und alle Key Backups waren an Board. Dadurch konnten HC Nick Saban und sein DC Jeremy Pruitt wesentlich mehr wechseln und die Spieler so frischer halten. Clemson wurde einfach erdrückt, das war schon extrem beeindruckend zu sehen.

Das Laufspiel der Tigers um die gefährlichen Runner Tavien Feaster und Travis Etienne kam überhaupt nicht in Gang. QB Kelly Bryant hatte in der ersten Halbzeit mit ein paar desgnten Runs und Scrambles den einen oder anderen Drive noch verlängern können, aber irgendwann war auch da die Klappe zu. Es hat mich allerdings ein wenig gewundert, warum HC Dabo Swinney derart früh weg von den Runs über seine RBs gegangen ist. Feaster und Etienne bekamen jeweils nur 4 Carries, wenngleich bei Etienne sicher erschwerend hinzukam, dass er große Probleme im Passblock offenbarte.

Auch im Passspiel ging wenig. Außen beeindruckte Tide CB Levi Wallace mit exzellenter Man Coverage gegen WR Deon Cain. Wallace ist eh eine tolle Geschichte, schließlich ist es extrem selten, dass jemand bei einem so hochkarätig besetzten Team wie Alabama als Walk-On nicht nur Starter, sondern auch Star wird. A propos Star: S Minkah Fitzpatrick kümmerte sich viel um den Tide-Killer der letzten Endspiele, WR Hunter Renfrow, im Slot und verhinderte dadurch einfache Pässe zum 1st down.

Was mich am meisten überraschte, war die Überlegenheit der Tide D-Line gegen eine eigentlich hochkarätig besetzte Tigers O-Line. Innen bekamen sie den ultrakräftigen DT Da’Ron Payne mit seiner überraschenden Athletik nicht unter Kontrolle, außen hatte LT Mitch Hyatt riesige Probleme gegen OLB Rashaan Evans, der aufgrund seiner Vielseitigkeit meiner Meinung nach ein Gewinn für fast jedes NFL-Team wäre. Der andere OLB Anfernee Jennings machte sein bestes Saisonspiel und kam endlich auch durch zum QB, verletzte sich im vierten Viertel allerdings leider am Knie, wurde bereits operiert und fällt dadurch logischerweise fürs Championship Game aus. Eine herbe Schwächung (dazu unten mehr).

Nachdem die erste Halbzeit von Alabama zwar sehr überlegen gestaltet werden konnte, man aber lediglich mit 10-3 führte, sorgten drei Schlüsselmomente im dritten Viertel für den letztlich ungefährdeten Sieg. Gleich zu Beginn fumblen Alabamas QB Jalen Hurts und RB Damien Harris den Handoff, aber Clemson kann dies trotz Ballgewinns in der Red Zone nur zu einem FG zum 6-10 verwerten. Im nächsten Drive der Tigers fängt Tide DT Payne eine Interception an der Line of Scrimmage inklusive durchaus ’nifty‘ Return, und kurz danach fängt eben jener Payne – diesmal als FB aufgestellt – einen kurzen TD-Pass von Hurts (interessanterweise nach einem Pick Play, das ein paar Erinnerungen an den entscheidenden Touchdown von Hunter Renfrow im letztjährigen Championship Game weckte). Im darauffolgenden Drive der Tigers wird Kelly Bryant nach einem tipped Ball von ILB Mack Wilson interceptet – Pick-Six, 24-6, Game over.

In der Alabama Offense konnten die Fragezeichen dagegen nicht ausgeräumt werden. Schon das Laufspiel war nicht unbedingt überzeugend. Man sollte zwar berücksichtigen, dass die beste D-Line im College-Football gegenüberstand, aber das war schon auch sehr unkreativ designt. Einzige Ausnahme vielleicht die schnellen Swing-Pässe in die Flat auf die RBs als Ersatz für Outside Runs (für die gerade Bo Scarbrough gar nicht gemacht ist, der funktioniert nur north-south), so dass diese nach dem Passfang gleich nach vorn starten konnten.

Ich gehöre ja wirklich nicht zu den Jalen-Hurts-Bashern und halte viel Kritik an ihm für deutlich überzogen, aber das war kein gutes Spiel von ihm. Im Passblock hat die Tide O-Line erstaunlich gut gegen die vier Tiere aus der Tigers D-Line gehalten. Hurts hatte viel Zeit und bekam auch endlich mal nicht sofort happy Feet in der Pocket, doch zögerte er sehr, die Pässe rauszuhauen. Ich kann mir ehrlich gesagt kaum vorstellen, dass ein so quicker und exzellenter Route Runner wie WR Calvin Ridley derart selten frei gewesen sein soll. Selbst beim TD-Pass auf Ridley war dieser schon früh im Play total offen, Hurts übersieht ihn (was an der Stelle wirklich schwer war), und findet ihn dann dennoch nach einem sehr athletischen Scramble, weil Ridley seine Route adjustet und vor allem durchläuft. Hurts war meiner Meinung nach extrem darauf bedacht, Fehler zu vermeiden. Zu sehr? Schwer zu beurteilen, in diesem Spiel hat die Defense ja gereicht.

 

Preview National Championship Game: #3 Georgia (13-1) vs. #4 Alabama (12-1) (08.01., 02:00 Uhr CET)

Nick Saban oder Kirby Smart? Der Meister oder sein Schüler? Dass die beiden grundsätzlich ähnliche Philosophien verfolgen, ist recht augenscheinlich. Größte Ausnahme dürfte der eher neue Trend bei Saban sein, mit einem dual-threat QB zusätzliche Gefahr im Laufspiel zu generieren. Ansonsten weisen gerade die Defenses doch viele ähnliche Tendenzen auf. Übrigens war nicht nur Smart früherer DC von Saban, sondern Alabamas DC Jeremy Pruitt zuvor DC von Georgia unter Mark Richt, kennt also zumindest die Stärken und Schwächen vieler Spieler auch aus erster Hand. Wer hat also nun wo die kleine „Edge“, den kleinen Vorteil? Und wird es Auswirkungen auf die Gameplans haben, dass das Championship Game bereits 7 Tage nach den Halbfinals gespielt wird? So eine kurze Pause gab es zuvor noch nie…

Da ich die beiden Teams sehr erschöpfend in den Previews zu den Halbfinals vorgestellt habe und weiter oben auch nochmal in den Recaps darauf Bezug genommen habe, werde ich hier auf unnötige Wiederholungen verzichten und mich lieber den aus meiner Sicht zentralen Fragen bezüglich Teamvergleichen und Matchups widmen.

Welches Running Game wird sich eher durchsetzen?

Ich freue mich sehr, dass nicht nur Nick Chubb, sondern auch Sony Michel so langsam die Anerkennung bekommt, die er schon lange verdient. Michel ist kein klassischer komplementärer Back zu Chubbs Power, sondern selbst ein kräftiger Runner, der über mehr Explosivität, Burst und Outside Running-Skills verfügt (und endlich auch mal als Receiver eingesetzt wird!), aber nicht die hervorragende Balance through Contact aufweist wie Chubb. Beide eint eine hervorragende Vision. Ich bin da ganz ehrlich, ich würde es ihnen sehr gönnen, ihre College-Karriere auf dem absoluten Höhepunkt beenden zu können. Die beiden und ihre hervorragende Runblocking Line werden es im Vergleich zu dem Kinderspiel gegen Oklahoma nun ungleich schwerer haben. Kaum ein Team konnte gegen Alabama inside laufen, selbst Auburn setzte beim Sieg im Iron Bowl ja verstärkt auf den Überraschungseffekt durch Zone Read Runs mit QB Jarrett Stidham und eine fast-paced Offense, die Georgia nicht in der Form wird bieten können. Nachdem bei Alabama nun auch noch die vielen Verletzten zurückgekehrt sind, wird es für Georgia sicherlich nicht einfacher. Ich vermute, dass wir mehr von den Toss Sweeps sehen werden, die die Bulldogs so herausragend umsetzen. Auch die eine oder andere Wildcat mit Chubb oder Michel ist zu erwarten.

Bei der Tide ist der Ausfall von OLB Anfernee Jennings schmerzhaft, insbesondere nach seiner Topleistung gegen Clemson. Jennings war so ein wenig der Mann für die Drecksarbeit in der Tide Defense: zwar außen postiert, jedoch hinter dem besten Passrusher in der 3-man-Front, DE Raekwon Davis, daher wurde er viel mit Edge-Setting- und Contain-Aufgaben betreut, konnte aber auch passabel passrushen (was man weniger an den Sacks als an der Pressure sieht). Seine Position werden sich wohl die wieder genesenen Terrell Lewis und Christian Miller teilen. Auf ILB wirkte das Duo Mack Wilson und Jamey Mosley (Bruder von C.J.) deutlich verbessert. Große Gewicht (im wahrsten Sinne des Wortes) wird auch das Duell zwischen C Lamont Gaillard und DT/NT Da’Ron Payne haben. Können Gaillard und einer seiner Guards Payne bewegen und so innen Lücken aufreißen? Oder andersrum und allgemeiner: Wie viele O-Liner können die drei schweren Jungs up-front binden?

Key Matchups:

Bulldogs C Lamont Gaillard (#53) vs. Tide DT Da’Ron Payne (#94)

Bulldogs RBs Nick Chubb (#27) & Sony Michel (#1) inside Running vs. Tide ILBs Mack Wilson (#30) & Jamey Mosley (#16)

Bulldogs TE Jeb Blazevich (#83) vs. Tide OLBs Rashaan Evans (#32) oder OLB Christian Miller (#47): Blazevich ist kein großer Name, aber ein exzellenter Edge Blocker. Ein unterschätzter und ganz wichtiger Schlüssel für die Outside Runs.

Im Duell Laufspiel der Tide gegen Defense der Bulldogs müssen sich erstere meiner Meinung nach von alten Zöpfen trennen: Auch wenn er der Star der letztjährigen Playoffs war, aber RB Bo Scarbrough scheint momentan außer Form zu sein. Er braucht viel zu lange zur Beschleunigung und wirkt auch weniger kraftvoll als in der vergangenen Saison. Schon lange hat ihm Damien Harris den Rang abgelaufen: ebenfalls ein kräftiger Runner, aber vielseitiger, mit mehr Moves und Quickness ausgestattet und (zumindest aktuell) auch entschlossener. Harris sollte noch mehr als ohnehin schon der klare #1 Back sein. Ab und an werden auch Josh Jacobs und Highschool-Superstar true Freshman Najee Harris eingesetzt. Beide kann man gerne mal als change-of-pace verwenden (oder in two-back Sets), der Fokus sollte allerdings auf Damien Harris liegen. Und natürlich auf Jalen Hurts selbst: Kaum ein Quarterback interpretiert seine Läufe so physisch im Stile eines Fullbacks. Ohne seine Läufe wird die Tide nicht siegen können. Die O-Line hat das ganze Jahr über schon ein paar mehr Probleme als gewohnt im Runblock, und nun fällt auch noch einer der starting OGs, Lester Cotton, wegen einer im Halbfinale erlittenen Verletzung aus.

Georgias Defense hatte im Halbfinale absolut kein gutes Spiel gegen den Lauf. Das wirft Fragezechen auf, muss jedoch nicht unbedingt etwas heißen, da eine Spread-Offense wie die der Sooners grundsätzlich mehr Räume fürs Laufspiel bereithält. In diesem Spiel wird es deutlich physischer und auch gedrängter zugehen. Zunächst mal bin ich gespannt, wo Smart den besten LB, Roquan Smith, positionieren wird. In einigen Spielen gegen laufstarke Teams (bspw. gegen Auburn) stellte sich Smith vermehrt außen auf, um seine chase&hit-Fähigkeiten in Verbindung mit seiner tollen Play Recognition besser zur Geltung zu bringen. Andererseits würde man damit in der nicht so tief besetzten Mitte eine Lücke reißen. So oder so wird es für die OLBs, ob Lorenzo Carter, Davin Bellamy oder eben Smith darauf ankommen, diszipliniert zu spielen, die Edges zu setten und immer auch mit Läufen von Hurts zu planen. Grundsätzlich ist diese Unit dazu in der Lage: Auch Bellamy und Carter sind keine eindimensionalen Edgerusher, sondern sehr vielseitige Linebacker – etwas, auf das Kirby Smart viel Wert legt.

Ebenso entscheidend ist meiner Ansicht nach aber die Leistung der weniger beachteten 3-man-Front. In Halfinale konnten sie gerade in der ersten Halbzeit die Sooners O-Liner viel zu wenig vom second-level Blocking der Linebacker abhalten. Wenn ich das richtig beobachtet habe, wurde in der zweiten Halbzeit mehr rotiert. Backup DE/DT Tyler Clark sorgte für einige Pressure. Hier muss Smart seine Formation und Rotation finden, die ihm gegen den Lauf am besten hilft.

Key Matchups:

Tide LT Jonah Williams (#73) vs. Bulldogs DTs Trenton Thompson (#78) & Tyler Clark (#52)

Tide RB Damien Harris (#34) vs. Bulldogs ILBs Roquan Smith (#3) und/oder Reggie Carter (#45): Könnte mir zudem vorstellen, dass die Bulldogs auch den starken Run Defender S J.R. Reed verstärkt in die Box holen.

Tide QB Jalen Hurts (#2) (Running) vs. OLB Lorenzo Carter (#7) (oder OLB Roquan Smith (#3)?): Das Containment gegen Hurts wird eine ganz wichtige Rolle spielen.

 

Welcher Receiver sorgt für entscheidende Big Plays?

Auf beiden Seiten erwartet und ein hochklassiges Duell zwischen dem besten Receiver und einem absoluten Top-CB. Beide Teams werden sicherlich nicht zu pass-first mutieren, wenngleich Georgia nach den Erfahrungen der letzten Spiele wohl mehr auf die Würfe ihres true Freshman QB Jake Fromm setzen wird. Fromm hat mit Javon Wims einen großen Receiver mit guter Sprungkraft, Phbysis und hervorragenden Händen, der sich bei contested Catches regelmäßig durchsetzt. Ihm gegenüber wird der bereits erwähnte Walk-On CB Levi Wallace stehen, der neben top Coverage mit sehr aktiver Armarbeit aufwartet und dadurch immer wieder für defensed Passes sorgt. Wallace ist technisch erstaunlich weit, wie man beispielsweise an der Passverteidigung im Halbfinale sieht, die zum Pick-Six durch LB Wilson führte. Besser kann man einen Slant nicht verteidigen: Öffnet nicht zu früh die Hüften, ist dadurch gegen Cuts weniger anfällig, covert hauteng, nimmt den inneren Arm zur Deflection, dadurch bleibt sein Körper hinter dem von WR Cain und er minimiert das Risiko eines Big Plays, sollte er den Ball verfehlen. Textbook.

Auf der anderen Seite bekommt es der beste Route Runner im College Football, Calvin Ridley, mit Deandre Baker zu tun. Ridleys Quickness beim Getoff und aus seinen Cuts ist absolut elite, und obwohl ich von Baker in den letzten Spielen sehr angetan war, kann ich mir kaum vorstellen, dass er da mitkommt. Ich vermute, dass er versuchen wird, den etwas dürren Ridley physisch anzugehen. So oder so bleibt die Frage: Findet Hurts ihn? Da der Rest der Tide-WR bisher keine große Gefahr darstellte, könnte man von der Coverage hier auch anders (sprich: konservativer) agieren als auf der anderen Seite bei Wims, da Georgia immerhin noch über ein paar 1b-Optionen verfügt (Terry Godwin, Speedster Mecole Hardman).

Key Matchups:

Bulldogs WR Javon Wims (#6) vs. Tide CB Levi Wallace (#39)

Tide WR Calvin Ridley (#3) vs. Bulldogs CB Deandre Baker (#18) (plus Safety?)

Für ein gelingendes Passing Game spielen natürlich auch noch andere Matchups eine wesentliche Rolle. Auf Seiten der Bulldogs Offense:

LT Isaiah Wynn (#77) vs. OLB Rashaan Evans (#32): Sehr unterschätzter Liner gegen einen der variabelsten Rusher, Vorsicht vor Evans‘ Spin Move und Counters.

QB Jake Fromm (#11) vs. S Minkah Fitzpatrick (#29): Wenn man so will ein Fernduell. Falls Fitzpatrick tiefer spielt und seinem S-Kollegen Ronnie Harrison die Position in der Box gegen den Lauf überlässt: Wird er mit seinem herausragenden Spielverständnis und seinem elite closing Speed Fromm zu einem folgenschweren Fehler zwingen?

Auf Seiten der Tide Offense:

Tide LT Jonah Williams (#73) vs. Bulldogs OLBs Lorenzo Carter (#7) & Davin Bellamy (#17): True Sophomore Williams ist ein exzellenter Passblocker und klar der beste Spieler der Tide O-Line. Die Bulldogs OLB werden wie gesagt nicht nur zum rushen eingesetzt und viel umherbewegt. Ich bin gespannt, mit wem (und wie) Georgia hier attackieren wird.

Tide QB Jalen Hurts (#2) vs. Bulldogs FS Dominick Sanders (#24): Selbes Spiel wie auf der anderen Seite, wenig überraschend bei den beiden ähnlich aufgebauten Teams. Sanders ist eigentlich ein unauffälliger Spieler der Bulldogs Defense, hat allerdings eine Nase für den Ball und mit der Interception im Halbfinale den Schulrekord (16 INTs) eingestellt. Hurts vermeidet Fehler wie kaum ein anderen QB (weiterhin erst 1 Interception in der gesamten Saison), dies geht aber eben oft zu Lasten des Risikos. Gerade in diesem Spiel sollte er sich auf gar keinen Fall einen unnötigen Overthrow leisten, dann lieber (wie gewohnt) in hohem Bogen ins Aus und das nächste Down spielen.

Die Special Teams als X-Factor?

Normalerweise vernachlässige ich in den Previews die Special Teams ziemlich, hier muss ich aber mal eine Ausnahme machen. Wie las ich in den Weiten des Netzes so treffend: „Kicker: Nick Sabans Kryptonit“. Seit vielen Jahren hat die Tide keinen wirklich zuverlässigen Kicker gehabt, auch Andy Pappanastos ist da keine Ausnahme. Die Bulldogs haben mit Rodrigo Blankenship (inklusive Hipsterbrille) dagegen einen sehr zuverlässigen Mann in ihren Reihen, wie auch sein 55-Yard-FG zur Halbzeit gegen die Sooners wieder bewies. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass das Kicking den Unterschied in einem engen Spiel machen könnte.

Auch im Return Game sehe ich Vorteile für Georgia: Mecole Hardman ist ein brandgefährlicher Speedster. Die Tide hatte dagegen große Probleme mit ihren Punt Returners, die allesamt mehrfach mufften oder fumbleten. Aktuell darf DB Trevon Diggs ran, der in den letzten Spielen verbessert wirkte.

Einzig beim Punting muss sich Alabama keine Sorgen machen: J.K. Scott ist seit Jahren einer der besten Punter im College Football (diese Saison neben Texas P Michael Dickson). Aber da Georgias Punter Cameron Nizialek ebenfalls kein schlechter ist, glaube ich nicht, dass sich in diesem Fernduell etwas Spielentscheidendes ereignet.

Fazit: Es ist schwer, das Spiel bzw. den Spielverlauf zweier sehr ähnlicher Mannschaften vorherzusagen. Im klassischen Running Game sehe ich Vorteile bei Georgia, in der Run Defense mittlerweile wieder bei Alabama (wenngleich leichter). Was sorgt für mehr Diversität und Lockerung der massierten Defenses: Hurts‘ Läufe oder Fromms Pässe? Und kann Hurts im Passing Game mehr ausrichten als in den letzten Wochen oder macht er den entscheidenden Fehler? Kommt der true Freshman Fromm ein weiteres Mal mit dem großen Druck klar? Und kann andersrum die Bulldogs Defense Hurt in der Pocket halten? Je mehr ich schreibe, desto mehr nehmen die Quarterbacks eine zentralere Rolle ein. Ich erwarte ein enges Spiel, allerdings glaube ich nicht, dass es so punktearm verlaufen wird, wie anderenorts zu lesen ist. Dennoch wird es entscheidender als bei dem einen oder anderen Shootout sein, Punkte konstant mitzunehmen. Hier sehe ich eben Georgia auch leicht vorn. Die Bulldogs werden sich durchsetzen – hoffe ich zumindest…

 

Aber da war doch noch was: National Champion UCF?

Eins ist sicher: Inkonsequentes Handeln kann man UCFs Athletic Director Danny White beim besten Willen nicht vorwerfen. Der ehemalige AD meiner Buffalo Bulls rief seine ungeschlagenen Knights nicht nur direkt nach dem Spiel zum National Champion aus, sondern will nun erstens ein Championship Banner im Stadion aufhängen lassen, zweitens dem Coaching Staff von Scott Frost Championship Bonuses zahlen und drittens eine Straßenparade als National Champion abhalten. Immerhin hatte man die Auburn Tigers geschlagen, die in der regulären Saison gegen beide Teilnehmer des National Championship Games, Alabama und Georgia, siegreich waren. Ich möchte das letztlich gar nicht groß bewerten, da sich in der Historie des College Footballs immer wieder Teams als vermeintlich wahre Champions deklarierten. Auch die Playoffs vermögen das Problem nicht zu lösen, dass Rankings und Meisterschaften außerhalb der Conferences nun einmal eine sehr inexakte Wissenschaft sind. Daran wird sich auch niemals etwas ändern, egal welche Reformen künftig noch angestrebt werden. Dessen sollte man sich unbedingt gewahr sein.

Ich möchte vielmehr noch ein paar Worte zum Peach Bowl selbst verlieren, in dem UCF gegen den hohen Favoriten Auburn sensationell, aber hochverdient und auch viel zu knapp mit 34-27 gewann (Highlights). Im Preview hatte ich die Frage bezüglich des Fokus der Mannschaft bei der Unruhe um den Coaching Staff gestellt, der ja zwischendurch einen full-time Job für das Recruiting von Nebraska innehatte, um dann noch für ein letztes Spiel das Team zu übernehmen, zu coachen und vorzubereiten. Diese Frage wurde so klar beantwortet wie nur möglich: Die Knights waren hervorragend eingestellt, aber vor allem der Einsatz beeindruckte mich zutiefst. Man kann HC Scott Frost und seinen Staff da gar nicht genug würdigen, insbesondere wenn man  das mit anderen Bowlspiele vergleicht, in denen Teams mit Übergangs-Coaches oder ähnlichem angetreten sind.

Ein paar Punkte, die mir besonders imponiert haben:

1. Das war kein übliches Spiel von David gegen Goliath, in dem David sich mit Gadget Plays oder sonstigen Trickspielzügen über Wasser hält. UCF nahm den Kampf gegen eines der physischsten Teams der gesamten FBS an und überzeugte im Duell Mann gegen Mann. Da war kein Razzle-Dazzle nötig.

2. Die mentale Toughness: UCF dominiert die erste Halbzeit, geht aber ’nur‘ mit 13-6, also einem Touchdown Vorsprung, in die Pause. Die zweite Halbzeit beginnt denkbar ungünstig: zunächst ein langer Kickreturn der Tigers und der anschließende Touchdown, und nach einem kurzen Drive der Knights ein weiterer Touchdown von Auburn. Plötzlich liegen die Knights mit 13-20 hinten, das Momentum spricht komplett gegen sie, aber das beeindruckte die Spieler kaum. Das sogenannte „mental makeup“ war herausragend und stabil.

3. Die Strategie der Defense: Ich gebe zu, hier hatte ich etwas Sorge. Nicht nur um das Spiel selbst, sondern auch um die Defense-Coaches der Knights allgemein, da diese ja  Scott Frost geschlossen zu Nebraska folgen. DC Erik Chinander ist alles andere als ein großer Name im College Football, und die Auftritte in den letzten beiden Partien gegen South Florida und Memphis boten doch Anlass zu einiger Kritik. In diesem Spiel hatte er seine Unit jedoch mit einem exzellenten Gameplan versehen, der vor allem auf Pressure basierte. Man versuchte immer wieder mit Blitzes und Stunts, das Laufspiel der Tigers im Keim zu ersticken. Deren RB Kerryon Johnson lebt ja davon, ähnlich wie Le’Veon Bell bei den Steelers hinter der Line auf sich entwickelnde Lücken zu warten, um dann mit seinem short-area Burst und seiner Physis da durchzustarten. In diesem Spiel musste er aber schon im Backfield adjusten bzw. manövrieren, weil er sich andauernd einem Knights-Defender dort gegenübersah, und hatte so schlicht keine Chance. Allerdings wirkte er auf mich auch immer noch etwas angeschlagen. So oder so, die Leistung der Knights-Front 7 gegen eine der besten Runblocking Lines im College Football (mit OG Braden Smith und Co.) kann man kaum hoch genug bewerten.

Auch den zweiten Kern der Offense von Auburns HC Gus Malzahn, das WR Screen Game, ging Chinander sehr risikoreich an. Er positionierte seine CB etwas mehr off-ball, also zurückgestellt. Dadurch konnten sie den Screen nicht so gut in seiner Entwicklung stören, aber hatten bessere Angles, um mit Schwung an den designierten WR-Vorblockern vorbeizuschießen. Wenn dann der Tackle (oder zumindest die Disruption des Spielzugs) nicht gelingt, wäre die Gefahr auf ein Big Play sehr groß, aber von wenigen Ausnahmen abgesehen war das Tackling der Knights äußerst sicher. So griffen Malzahn und QB Jarrett Stidham im Laufe des Spiels gefühlt immer weniger auf diese Plays zurück. Hier muss man übrigens besonders CB Mike Hughes ein Riesenkompliment machen. Ich hatte den ja in der Preview zum USF-Spiel ein wenig näher vorgestellt: extrem guter Speed (auch einer der Top-Returner der Mid-Majors), seine Coverage lebt aber nicht nur von Speed und Quickness, sondern auch von einer gehörigen Portion Physis und hervorragendem Tackling. Hughes ist mit 5’11, 185 angegeben, spielt jedoch wesentlich größer und kräftiger. Ein sehr talentierter Spieler, den man auf jeden Fall fürs nächste Jahr auf dem Zettel haben sollte.

Und noch ein letzter, eher allgemeiner Punkt zur Defense: Die Energie, die die Knights von der ersten bis zur letzten Sekunde verströmten, war sowas von spürbar; personifiziert insbesondere an OLB Shaquem Griffin, dem man seine Motivation bis in die letzte Haarspitze anmerkte. Bei fast jedem Tackle war das halbe Team in der Nähe des Ballträgers, Gang tackling at its very best. Und ja, Griffin verdient unbedingt eine Chance in der NFL, und wenn es nicht als Passrusher ist, dann als chase&hit WLB und Special Teamer.

4. Es ist selten, dass die UCF-Offense weniger Raum bekommt in einem solchen Recap. In der ersten Halbzeit lief das Passing Game um QB McKenzie Milton gar nicht rund (vollkommen unnötige Overthrows, Drops etc.). Dennoch vernachlässigte man das übliche Running Game mit den kleinen Flitzern und setzte auf viel Outside Zone Running mit Milton selbst, der in der gesamten Saison noch nicht so viel und so erfolgreich gelaufen war. Milton bewies eine Toughness, die man bei einem 180 Pfund leichten QB nicht so oft finden wird. Ganz stark fand ich auch den RT Wyatt Miller, einen völlig unbekannten Liner, der gegen Auburns gefürchteten Passrusher Jeff Holland wohl das Spiel seines Lebens machte. Und auch in der Offense möchte ich noch einen Spieler in den Ring werfen, den ich die gesamte Saison über schon extrem stark fand und öfter lobend erwähnte: WR Tre’Quan Smith. Physischer WR mit adäquatem Long Speed und starken Händen (auch im eins gegen eins), downfield ball tracking ebenfalls gut und ein hervorragender Blocker. Auch ihn mal im Kopf behalten.

Aber am Ende muss ich doch nochmal einen kleinen Schluck Wasser in den Wein kippen, ohne die Leistung von UCF damit in irgendeiner Form schmälern zu wollen. Egal, wie groß man ein Spiel wie den diesjährigen Peach Bowl aufzieht, die beiden Teams werden mit vollkommen unterschiedlicher Motivationslage antreten. Für UCF ist es gewissermaßen der Superbowl, die eine Gelegenheit, auf die man jahrelang wartete und die eventuell so schnell nicht wiederkommen wird. Für Auburn war es der Trostpreis nach dem verlorenen SEC Championship Game und nebenbei ein Spiel, in dem man eigentlich nur verlieren konnte. Schlägt man den Mid-Major, ists nichts Besonderes und man wird diesen Bowl schnell vergessen (und auch nicht unbedingt als einen der ‚großen‘ Siege labeln). Für UCF ging es eben um so wahnsinnig viel mehr. Nur sehe ich keine Chance, wie man das auf absehbare Zeit und mit einem realistischen Plan wird ändern können.

 

Und noch eine letzte Notiz…

Ich ziehe alle meine imaginären Hüte vor Spielern wie Saquon Barkley, Derrius Guice und vor allem Mo Hurst. In all der Absagenflut, unter der gerade die kleineren Bowls zu leiden hatten, entschieden sich diese (und einige andere) Stars, mit ihren Teamkollegen das zu Ende zu bringen, was man sich zuvor gemeinsam erarbeitet hatte. Penn State RB Barkley hatte von den Genannten am meisten zu gewinnen (den großen und prestigeträchtigen Fiesta Bowl), aber er setzte seinen Körper so sehr und ohne Rücksicht auf Verluste ein, dass es einfach jeden beeindrucken musste. LSU RB Guice hat noch nicht offiziell declart, von daher ist seine Nennung hier ein wenig fraglich, allerdings entschied er sich erstens, beim Citrus Bowl (also keinem der New Year’s Six Bowls) anzutreten, und zweitens wäre auch die überraschende Entscheidung, sein Senior Year in Baton Rouge zu bleiben, jeden Respekt wert. Bei Michigans DT Mo Hurst hätte wohl wirklich jeder verstanden, wenn er den Bowl auslässt, schließlich entschied er sich ja überhaupt schon dafür, seine Senior Season bei Michigan zu spielen. Dennoch trat er zum Outback Bowl gegen South Carolina an; und auch wenn seine Wolverines durch ein Comeback im vierten Viertel noch verloren, zeigte er erneut, warum er für mich der beste 3-tech DT der Saison war. Diese unfassbare first-step Quickness wird im nächsten Herbst die Fans irgendeines NFL-Teams mit großer Sicherheit stark erfreuen…

 

 

2 Gedanken zu „Analyse Halbfinals & Vorschau Championship Game Alabama vs. Georgia

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